„Man muss es Johnson lassen: In seiner schwierigen Lage hat er am Ende wichtige Punkte gemacht.“

Auf den allerletzten Drücker haben sich EU und Großbritannien auf einen Scheidungsvertrag geeinigt. Eine Wende zum Guten ist es gewiss, aber noch nicht das Ende des Brexit-Dramas. Erst muss Boris Johnson für diesen Deal die Zustimmung des Parlaments bekommen. Das wird noch harte Arbeit. Nicht ausgeschlossen, dass der Premier bei einem Scheitern im ersten Anlauf doch noch versuchen könnte, einen chaotischen No-Deal­-Brexit gegen alle Widerstände durchzupeitschen. Aber wahrscheinlich ist das nicht. Dazu ist der Verhandlungserfolg auch für Johnson zu groß: Die von Brüssel lange eisern verteidigte Backstop-Klausel, die Großbritannien eng an die EU gebunden hätte, ist aus dem Vertrag gestrichen.

Wie war plötzlich möglich, was so lange nicht erreichbar schien? Beide Seiten haben sich in der Schlussrunde bewegt.

Im Kern ist die Sonderlösung für Nordirland die Rückkehr zu jenem Modell, das die EU Johnsons Vorgängerin May vergeblich vorgeschlagen hatte. Ob die nordirische, probritische DUP am Ende doch diesem Weg folgt, der Nordirland wahrscheinlich dauerhaft etwas abrückt vom übrigen Königreich, ist offen – vermutlich wird sie nach der ersten Absage den innenpolitischen Preis in die Höhe treiben.

Man muss es Johnson lassen: In seiner schwierigen Lage hat er am Ende wichtige Punkte gemacht. Der Preis, den die EU für ein geregeltes Abkommen zahlt, ist dennoch nicht zu noch: Sie hat zwar entgegen ihrer Absicht den Vertrag doch wieder aufgeschnürt – aber sie hat ihre Prinzipien verteidigt. Die EU hat sich nicht erpressen lassen.

Auch wenn jetzt ein halbwegs gutes Ende des britischen Austritts aus der Gemeinschaft in Sicht kommt, Grund zur Freude gibt es nicht. Der Brexit bleibt ein tragischer, historischer Irrtum. Den Schaden hat vor allem Großbritannien, wirtschaftlich wie politisch.