Die Region hat sich hinter die Bewerbung gestellt. In dieser Klarheit gab es das nirgendwo in Deutschland.

Ist der Weg nicht schon Heimat? (Miguel de Unamuno y Jugo)

Die TU Braunschweig verliert im Rennen um die Exzellenzförderung – und im Hörsaal herrscht Stimmung wie nach einem gewonnenen WM-Finale. Stehende Ovationen für Präsidentin Anke Kaysser-Pyzalla. Ist die Intelligenzija verrückt geworden? Keine Sorge. Wenn sich eine Niederlage anfühlen kann wie ein Sieg, dann diese. Die TU Braunschweig hat es als „krasser Außenseiter“, wie die Präsidentin selbst sagt, bis ins Finale geschafft. Und diese Bewerbung hat die Hochschule verändert: „Da ist ein Ruck durch die TU gegangen“, sagt ein Förderer und Begleiter. Diesen Schwung, diesen guten Geist nimmt die TU mit.

Die deutsche Hochschullandschaft ist so heterogen wie die Blumen auf der Sommerwiese. Da gibt es die großen und die kleinen, die mit dem wissenschaftlichen Komplettspektrum und die Spezialisten. Da sind die mit anderen Hochschulen mächtig Verbündeten und die Einzelspieler, da sind die Drittmittelgiganten und solche, die mit bescheideneren Beiträgen aus Wirtschaft und öffentlicher Forschungsförderung auskommen müssen.

Die Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig zählt zu den Mittelgroßen. Sie genießt als Heimat der Ingenieure traditionell einen guten Ruf. Und sie hat einen langen Weg hinter sich, der sie nun in die Spitze der deutschen Hochschulen brachte. Fred Jochen Litterst, TU-Präsident von 1999 bis 2004, war noch auf massiven Widerstand gestoßen. Sein Kurs der Öffnung gegenüber den Forschungsgeschwistern, die Erfindung der Forschungsregion Braunschweig, erschien manchem wie eine Entweihung der Hochschule. Heute ist sie eine wichtige Voraussetzung für die Exzellenz der TU.

In der Ära Jürgen Hesselbach gewann diese Entwicklung durch innovative, auf Zusammenarbeit der Disziplinen ausgerichtete Konzepte noch einmal deutlich an Dynamik. Der unermüdliche TU-Chefstratege und -lobbyist brachte vom Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik bis zur Open Hybrid Lab Factory neue Exzellenzträger ins Leben. Anke Kaysser-Pyzalla geht diesen Weg mit fröhlicher Entschlossenheit weiter. Ohne ihr Vorbild und ihr Antreiben, sagte Vizepräsident Ulrich Reimers gestern unter dem Beifall der Professoren und Studierenden, hätte man die Bewerbung nicht geschafft.

Man wünschte allen Institutionen unserer Region solche mit kluger Abwägung gepaarte Abenteuerlust. Die TU macht vor, dass es sich lohnt. Mit Selbstinfragestellung, Offenheit gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft und mit harter Arbeit in der Sache hat sich diese Hochschule einen Erfolg erkämpft, der sensationell zu nennen ist.

Die beiden Forschungsprojekte „Quantum Frontiers“ und „SE2A“ werden im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder für sieben Jahre gefördert. Das erstgenannte Projekt beschäftigt sich mit Hilfe von Quanten- und Nanotechnologie mit den Grenzen des Messbaren und bündelt Kapazitäten der TU Braunschweig, der Leibniz-Universität Hannover und der in Braunschweig beheimateten Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Das zweite klingt wie die bestmögliche Antwort auf die aktuelle Klimadebatte, denn es hat nachhaltige und energieeffiziente Luftfahrt zum Ziel. Hier arbeitet die TU ebenfalls mit Leibniz, aber auch mit dem Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen, das in Braunschweig einen dynamischen Standort unterhält. Gemeinsamkeit macht stark – und das Ergebnis belohnt die Klugheit realistischer Selbsteinschätzung. Dem Erfolg der beiden Projekte ist zu verdanken, dass sich die TU als Exzellenz-Universität bewerben durfte.

Glücklich ist, wer sich am Teilerfolg freut, weil er Realist geblieben ist. Der Songwriter Randy Newman bereichert uns um den hier besonders treffenden Satz „It’s lonely at the top“ – an der Spitze ist es einsam. Im Feld der Spitzenforschung ist das Niveau extrem und der Ehrgeiz mächtig. Ein Durchmarsch der TU in der Exzellenzinitiative hätte jeder Wahrscheinlichkeit widersprochen.

Die Bewerbung brachte dennoch einen gewaltigen Schritt nach vorn:

• Die TU hat sich in einer beeindruckenden Teamleistung aufgemacht, das Beste zu zeigen. Von der Bewerbung, die von einem Kollektiv rund um die Präsidentin verfasst wurde, bis zur Präsentation einer Hochschule, die ihre Studenten als Mitgestalter sieht und die selbstbewusst zu den Stärken ihrer dezentralen Struktur steht, hat die Carolo-Wilhelmina bei Gutachtern und Wissenschaftscommunity tiefen Eindruck hinterlassen.

• Dass die TU Braunschweig in die Liga der Exzellenzanwärter aufgestiegen ist, gibt der Richtungsentscheidung Littersts, Hesselbachs und Kaysser-Pyzallas nach Innen zusätzliche Autorität – der Erfolg besänftig die Zweifler. Die Exzellenzbewerbung dürfte auf alle Universitätsbereiche ausstrahlen.

• Die Region hat sich hinter die Bewerbung gestellt. In dieser Klarheit gab es das nirgendwo in Deutschland. Von IHK-Präsident Helmut Streiff bis zur Allianz für die Region, Einzelunternehmen, den Bürgerinnen und Bürgern und selbstverständlich dem Braunschweigischen Hochschulbund, der Forschungsregion, der Stadt Braunschweig und den Abgeordneten gab es Beweise der Bündnisfähigkeit, die große Hoffnungen begründen.

• Niedersachsen, allen voran Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU), hat die Bewerbung mit bemerkenswerter Entschlossenheit unterstützt. Auf dem Weg zur Kür der Exzellenzcluster half die Landesregierung hinter den Kulissen, der Qualität der Projekte zu angemessener Wahrnehmung zu verhelfen. Der gemeinsame Erfolg wird helfen, die vielen Millionen nach Braunschweig zu bringen, die eine lange unterfinanzierte Hochschule nicht nur im Baulichen braucht.

Der Erfolg der Exzellenz-Bewerbung ist groß, weil er sich eben nicht nur am Votum der Kommission festmacht. Gesegnet die Region, die solche Verlierer in ihrer Mitte hat!