„Beim Wort ,Industriestandard’ sieht man das Geld sozusagen schon in Richtung Wolfsburg sprudeln.“

Volkswagen und Ford haben am Freitag in New York offiziell ihre umfassende Zusammenarbeit verkündet. Die Nummer eins (VW) und die Nummer fünf (Ford) der weltweiten Autobauer werden nicht nur bei den leichten Nutzfahrzeugen, sondern auch und vor allem bei der Elektrifizierung ihrer Flotten und beim autonomen Fahren kooperieren. Um den Wandel in der Automobilität gemeinsam zu meistern, tun sich also einstige Konkurrenten in der Welt der Verbrenner zusammen – das bedeutet nichts weniger als eine Zeitenwende. Und es ist ein Signal an die gesamte Autobranche.

Zwei der Kooperationsbereiche sind als Zukunftsfelder extrem wichtig: Die E-Mobilität und die Automatisierung des Fahrens. Die Elektrifizierung ist wegen der Vorgaben durch die EU allerdings dringender. Genau diesem Bereich hat sich VW mit Haut und Haaren verschrieben. Mit der Entwicklung des Modularen Elektro-Baukastens (MEB) haben die Wolfsburger die Basis für eine vereinheitlichte Produktionsweise von E-Fahrzeugen geschaffen. Allein durch die schiere Masse an E-Mobilen, die VW in den kommenden Jahren auf den Markt bringen wird, sollte sich die 6-Milliarden-Euro-Investition in diesen Baukasten gelohnt haben.

Ford partizipiert nun – denn auch der US-Hersteller muss auf dem europäischen Markt bis 2022 die CO-2-Flottenvorgaben erreichen. Die Nutzung wird sich VW natürlich bezahlen lassen. Wie VW-Chef Diess bereits ankündigte, steht der MEB darüber hinaus auch anderen Anbietern offen. Die deutsche Konkurrenz BMW und Daimler hat solch eine reine Elektro-Plattform nicht. Der Wunsch von VW ist, mit dem MEB den „Industriestandard“ zu setzen. Man sieht bei solch einem Begriff das Geld schon in Richtung Wolfsburg sprudeln...

Die Öffnung des MEB spricht für einen „Mindshift“ im VW-Konzern. Auch er wandelt sich vom reinen Hersteller zum Dienstleistungsanbieter – und das nicht nur für Kunden, sondern auch für die Branche. In Zeiten, in denen viele junge Menschen keinen eigenen Pkw besitzen möchten, in denen Mobilität flexibel genutzt wird und neue Start-Ups wie Uber plötzlich auf den Markt preschen, ist das ein wichtiger Schritt. VW passt sich an und verdient dabei. Das zweite Zukunftsfeld autonomes Fahren besetzen VW und Ford ebenfalls gemeinsam, sind damit aber nicht allein. Auch BMW und Daimler haben sich verbrüdert. Partnerschaften werden in der „old economy“ immer wichtiger. Das zeigen auch Kooperationen, die Volkswagen zuletzt mit Microsoft und Amazon eingegangen ist. Das Bündnis mit Ford spielt allerdings in einer deutlich höheren Liga.

Branchenexperten bescheinigen den Herstellern, eine sinnvolle Kooperation einzugehen. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen ist allerdings skeptisch, was die kulturelle Zusammenarbeit der Autoriesen angeht. Und tatsächlich: Die Kooperation zwischen General Motors und Opel endete, die Rüsselsheimer gingen lieber eine Ehe mit der französischen PSA ein – eine rein europäische Liaison. Daimler und Chrysler reichten die Scheidung nach neun gemeinsamen Jahren ein. Kann es bei Ford und VW besser werden? Ja, kann es. Und vielleicht hat die Diesel-Krise hier endlich mal einen Vorteil: Die Wolfsburger dürften sich seit 2015 so intensiv wie nie zuvor mit Gepflogenheiten, Gesetzen und Gemütsverfassungen der US-Amerikaner auseinandergesetzt haben. Ein „Culture-Clash“ ist nicht zu erwarten. Die Chancen auf eine erfolgreiche und dauerhafte Partnerschaft stehen gut.