Seenotrettung ist eine Aufgabe der Politik. Eine Koalition der Willigen innerhalb der EU sollte die Initiative ergreifen.

Wer hätte das gedacht? Horst Seehofer (CSU) wandelt sich gegen Ende seiner Karriere noch vom Saulus zum Paulus. Der Innenminister, der die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer wieder harsch abgebügelt hat, dieser politische Haudegen, wird auf einmal weich. „Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden“, schreibt er seinem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini ins Stammbuch.

Der barmherzige Samariter Seehofer gegen den Schotten-dicht-Politiker Salvini: Dieser Gegensatz ist bemerkenswert. Vor nicht allzu langer Zeit waren beide noch Brüder im Geiste. Mehr Schutz der europäischen Außengrenzen, zur Not Schließung der Grenzen und die Zurückweisung von Flüchtlingen, lautete die Devise.

Seehofers 180-Grad-Schwenk ist ein populistisches Manöver. Angesichts der Fernsehbilder von erschöpften Migranten, die von der als Heldin gefeierten deutschen Kapitänin Carola Rackete aus dem Mittelmeer geborgen wurden, will er nicht als gefühlskalter Spitzenpolitiker rüberkommen.

Natürlich ist es eine humanitäre Pflicht, Menschen zu retten, die vom Ertrinken bedroht sind. Doch ein Problem wie die weltweite Flüchtlingskrise lässt sich nicht durch moralische Reflexe in Berlin oder Brüssel lösen. Private Migrantenschiffe, die vor den Küsten Nordafrikas patrouillieren, sind nicht die Lösung.

Seenotrettung ist eine Aufgabe der Politik. Eine Koalition der Willigen innerhalb der EU sollte die Initiative ergreifen. Moralinsaure Tiraden gegen Salvini sind wohlfeil. Man mag seine Sprache mit guten Gründen kritisieren. Doch seine Lega-Partei und ihr Koalitionspartner Fünf Sterne wurden von einer Mehrheit der Italiener gewählt. Das gilt es zu respektieren.