„Europäer, Russen und Chinesen müssten den Iran über die Atom-Frage hinaus zu Zugeständnissen bewegen.“

Man darf annehmen, dass der Iran den Kurs der stufenweisen Eskalation nicht überreizt. Die Regierung müsste bei einem eklatanten Verstoß des Nuklearabkommens damit rechnen, dass der UN-Sicherheitsrat in voller Breite Strafmaßnahmen verhängt. Andererseits sitzt die Führung in Teheran in der Eskalationsfalle. Die Talfahrt der eigenen Wirtschaft, die galoppierende Inflation könnte die Hardliner zu unüberlegten Handlungen verleiten.

Auch US-Präsident Donald Trump ist in der Konflikt-Mechanik gefangen. Er hat die Mullahs mit seinem in letzter Minute abgeblasenen Militäreinsatz einschüchtern wollen. Der Chef des Weißen Hauses liebt den Auftritt des Muskelmanns. Nicht auszuschließen, dass er in einem gewissen Moment Luftschläge auf Ziele im Iran anordnet. Zumal die Präsidentschaftswahl 2020 ihre Schatten vorauswirft.

Einstweilen baut Trump jedoch auf wirtschaftlichen Druck und das Apokalypse-Szenario. Sollte sich die iranische Wirtschaft dem Kollaps nähern, wird sich die Regierung schon bewegen, lautet seine Marschroute. Zwischen Berlin, Paris und London sieht man das skeptisch. Intern ist von einer Venezuela-Variante die Rede. Im ökonomischen Chaos könnten die Revolutionsgarden in Teheran das Ruder übernehmen, wird befürchtet. Massenelend würde mit politischer Unterdrückung einhergehen – wie im Regime des venezolanischen Machthabers Nicolás Maduro.

All diese Aussichten sind düster. Die Akteure in Washington und Teheran sind derart ineinander verbissen, dass nur eine dritte Kraft einen Weg aus dem Dilemma zeigen könnte. Europäer, Russen und Chinesen müssten den Iran über die Atom-Frage hinaus zu Zugeständnissen bewegen – und zwar mit üppigen wirtschaftlichen Anreizen, die dieser nicht ablehnen kann. Warum nicht eine diplomatische Großoffensive?