Es mag Bernd Meier Genugtuung bereiten, dass zum Ende seiner 35 Jahre in Diensten der IHK Braunschweig mehrere Kernprojekte zu gelingen scheinen.

Wer Weisheit mit Heiterkeit und Liebenswürdigkeit verbindet, hat die höchste Stufe im Menschenleben erreicht. (William McDougall)

Bei ganz, ganz seltenen Gelegenheiten offenbarte sich dem überraschten Betrachter der ganze Meier. Der stets kontrollierte, distinguierte Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig mied 17 Jahre lang das Rampenlicht, so weit, wie es sein Amt zuließ. Präsident Helmut Streiff sagt: „Immer wenn ich ihn auf einem Foto haben wollte, war er plötzlich weg.“ Den großen Auftritt überließ er seinen drei Präsidenten Klaus Schuberth, Wolf-Michael Schmid und Helmut Streiff – und weil sie es gut machten, war er’s zufrieden.

Sein Dienstwagen, ein VW Golf, passt als Symbol der Verlässlichkeit, Vernunft und systematischen Vermeidung jeder Übertreibung ins Bild und brachte die meisten seiner breiter fahrenden IHK-Kollegen in Verlegenheit. Und dennoch wusste jeder: Dieser hochgewachsene Mann mit dem Habitus eines britischen Hochschullehrers hielt die Kammer wirtschaftlich und in ihrer Leistungskraft auf Kurs, steuerte sie mit einem eingespielten Team intelligent durch alle Untiefen. Der Streit ums Einkaufszentrum im Braunschweiger Schloss, den Brawopark, die verkaufsoffenen Sonntage in der Region, sie alle wurden nicht zum Sprengsatz für die Selbstverwaltung der regionalen Wirtschaft, weil Meier einen präzisen Kompass für das Mögliche und für das Notwendige besaß. Dass er tatsächlich ein außergewöhnlich engagierter, mit mehreren Preisen ausgezeichneter Hochschullehrer war und ist, fiel den meisten kaum auf – die Anrede Professor verbat er sich stets höflich, aber bestimmt.

Bernd Meier, scheidender Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig.
Bernd Meier, scheidender Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig. © IHK | IHK

Der Mann mit vielen Talenten hielt mit einem besonders seltenen hinterm Berg. Bernd Meier ist ein meisterlicher Conférencier mit einem feinen Humor, den die Briten bildkräftig „tongue in cheek“ nennen. Wer zum Geburtstag eines IHK-Präsidenten (oder zur Verabschiedung eines Hauptgeschäftsführers) geht, wird mit allem rechnen, nur nicht mit massivsten Belastungen des Zwerchfells. Meier bändigte dieses Talent mit großer Konsequenz, vielleicht weil er befürchtete, es könne seinem Amt schaden. Kurt Tucholsky schrieb: „Denn wer glaubt in Deutschland einem politischen Schriftsteller Humor? dem Satiriker Ernst? dem Verspielten Kenntnis des Strafgesetzbuches, dem Städteschilderer lustige Verse? Humor diskreditiert.“ Schade eigentlich. Die stehenden Ovationen im Kongresssaal der IHK waren jedenfalls aufrichtiger Ausdruck der Wertschätzung eines Mannes, der wie wenige andere in Niedersachsen für die Vertretung der Interessen und zugleich das soziale Engagement der Wirtschaft stand und steht. Am Montag beginnt die Amtszeit des Neuen – Florian Löbermann hat mit seiner Vorstellung einen guten Start erwischt. Ihm und der Wirtschaft ist zu wünschen, dass es so weitergeht. Meier steht ihm noch ein Weilchen zur Verfügung.

Mit Unvernunft, wie er sich in der Ablehnung der Realisierungschancen eines gemeinsamen Gewerbegebietes der Städte Salzgitter und Braunschweig ausdrückte, konnte Bernd Meier nicht gut umgehen. Es mag ihm Genugtuung bereiten, dass zum Schluss seiner fast 35 Jahre in Diensten der IHK Braunschweig mehrere Kernprojekte zu gelingen scheinen, von der Weddeler Schleife über die Schleuse Scharnebeck bis zum Weiterbau der A39, auch wenn letzterer diese Woche von Autobahngegnern vor dem Bundesverwaltungsgericht zum Faktor der Klimakatastrophe erklärt wurde. Über die Gefahren, die eine Verhinderungskultur für unser Land bedeutet, wäre viel zu sagen – bei allem Respekt vor dem Klagerecht.

Ein großer Erfolg ist unterdessen die Ausrufung von Wolfsburg und Braunschweig zur Modellregion für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Das „Reallabor in der Mobilitätsregion“ macht unsere Region zum Vorreiter für die leistungsfähigen Netze, mit deren Hilfe autonomes Fahren und andere zukunftsweisende Anwendungen erst möglich werden. Ohne die konzertierten Anstrengungen wichtiger Akteure der Region wäre dieser Coup sicher nicht gelungen. Man sieht einmal mehr: Einigkeit macht stark.

Klug war es, den Kreis Helmstedt an Bord zu nehmen. Deutschland wird in der hochkomplex kommunizierenden Wirtschaft der Zukunft nur dann erfolgreich sein, wenn es die Stärke seiner ländlichen Regionen zu mobilisieren versteht. Und sehr vernünftig ist, dass die Koordination beim Landesbeauftragten Matthias Wunderling-Weilbier liegt. Sein Amt hat mit dem außerordentlich erfolgreichen Projektbüro Südniedersachsen die Fähigkeit gezeigt, zwischen Wirtschaft, Staat und Gesellschaft effektiv zu vermitteln. Er selbst besitzt den Ehrgeiz und die Hartnäckigkeit, die erfolgreiches Projektmanagement braucht.

In Köln sagen sie: „Mer muss och jünne künne“ – man muss auch gönnen können. Damit tut sich ein kleiner Teil des Braunschweiger Rates noch schwer. Mit Richard Borek ist ein schwerreicher, stramm konservativer, auf charmante Weise sehr sperriger und jedenfalls in seinem Engagement für seine Stadt schwer zu übertreffender Mann zum Ehrenbürger ernannt worden. Meinungsverschiedenheiten sind im demokratischen Prozess so selbstverständlich wie legitim und sogar notwendig. Aber wer sich nicht dem Vorwurf der üblen Nachrede aussetzen will, sollte in seinen Beiträgen wählerischer sein, als es zwei Ratsherren vor der Abstimmung waren. Dass der sozialdemokratische Oberbürgermeister Ulrich Markurth den CDU-Granden vorschlug, ist jedenfalls Ausdruck einer anderen und besseren politischen Kultur.