„Nirgendwo schwächt sich die Kriminalpolizei durch zersplitterte Zuständigkeiten so sehr wie an Rhein und Ruhr“

Was im Dezember 2018 als Durchsuchung einer Kreispolizeibehörde auf einem Provinz-Campingplatz in Ostwestfalen begann, hat sich zu einem der grausamsten Missbrauchsskandale der Bundesrepublik ausgewachsen. „Lügde“ ist zur Chiffre geworden für Unmenschlichkeit, Wegschauen und Behördenversagen.

In der angeblich so idyllischen Freizeitoase Eichwald wurden über Jahre mindestens 41 Kinder vergewaltigt und gequält, ohne dass es jemand gemerkt haben will. Mutmaßlich drei Haupttäter haben über 1000 Taten in Millionen von Fotos und Videos festgehalten und verbreitet.

Wenn man im Missbrauchsskandal von Lügde irgendeinen tröstlichen Aspekt finden will, dann allenfalls diesen: Die nordrhein-westfälische Politik hat sich nach schweren Behördenpannen, Fehleinschätzungen und strukturellem Versagen in der Vergangenheit häufig als lernendes System gezeigt. Das Gladbecker Geiseldrama etwa führte vor gut 30 Jahren zur völligen Neuorganisation der NRW-Polizei. Die Kölner Silvesternacht prägt bis heute Einsatzstrategien gegenüber „Tumultdelikten“. Oder der nachlässige Umgang mit dem Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Amri: Er hatte zur Konsequenz, dass NRW inzwischen häufiger den „Terror-Paragrafen“ 58a anwendet.

Lügde muss ein ebensolches Fanal für die Politik sein. NRW braucht eine tiefgreifende Polizeistrukturreform, damit nie wieder eine überforderte Landratsbehörde wochenlang in einem solch mons­trösen Fall vor sich hindilettieren kann. Nirgendwo schwächt sich die Kriminalpolizei durch zersplitterte Zuständigkeiten so sehr wie an Rhein und Ruhr. Zugleich muss das Regelwerk der Jugendhilfe nachgeschärft werden, damit Pflegekinder nicht mehr so leicht in Hände wie die des Hauptverdächtigen Andreas V. geraten können. Das sind die traurigen Lehren aus Lügde.

Nirgendwo schwächt sich die Kriminalpolizei durch zer-splitterte Zuständigkeiten so sehr wie an Rhein und Ruhr