„Schüler, die sich friedlich demonstrierend um eine der entscheidenden Zukunftsfragen kümmern, machen ihrer Familie und unserer Demokratie Ehre.“

Du bist niemals zu jung und niemals zu alt, um Dir guten Ärger einzuhandeln. Die Welt ist ein brennendes Haus. Wer willst Du sein? Der, der das Feuer bekämpft, oder der, der bloß das Fernsehprogramm wechselt?

Samantha Martin & Delta Sugar,
„Good Trouble“

Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg dürfte Björn Borg, König Carl XVI Gustaf, Zlatan Ibrahimović und Alicia Vikander in der Rangliste der bekanntesten Schweden inzwischen überholt haben. Nicht schlecht für ein Mädchen des Jahrganges 2003.

Die junge Klimaschützerin hat mit ihrem Freitags-Schulstreik eine weltweite Bewegung angestoßen, die als „Fridays for future“ auch in den Klassenzimmern und auf den Straßen unserer Region Spuren hinterlässt. Greta fordert von den politisch Verantwortlichen mehr Mut im Kampf gegen die Erderwärmung. Sie will streiken, bis Schweden 15 Prozent weniger klimaschädliches Gas freisetzt. Reiche Nationen hätten die Pflicht, mehr zu tun als ärmere.

Greta ist ein besonderes Mädchen, Kind einer Opernsängerin und eines Schauspielers, sie hat eine Depression überstanden, die Ärzte stellten bei ihr das Asperger-Syndrom fest, eine Variante des Autismus. Einen Anführer stellt man sich anders vor. Aber ihr Beispiel stiftet Bewegung. Man hat den Eindruck, dass Greta im Alleingang tiefere Schneisen in die Phalanx der Klima-Ignoranten geschlagen hat als alles Anrennen etablierter Umwelt-Lobbyisten: Ihr Ernst und die Unbedingtheit ihres Engagements machen es schwer, vor ihrer Botschaft die Ohren zu verschließen. Und Gretas Courage beeindruckt selbst ihre Kritiker.

Der Protest wird von Gleichaltrigen und Jüngeren häufig unterstützt, während die Reaktionen bei Erwachsenen zwiespältig ausfallen. Warum muss man die Schule schwänzen, wird gefragt? Auch in unserer Gegend soll es Eltern geben, die mit Überraschung und Sorge erfuhren, dass ihr minderjähriger Spross wie Greta einfach mal „auf Demo“ war, statt, wie die Eltern dachten, in geschützter Atmosphäre Wissen und glänzende Noten zu sammeln. Die Sorge ist berechtigt. Aber die Frage lässt sich schnell beantworten. Eine Greta Thunberg, die sich am Freitagnachmittag vor den schwedischen Reichstag pflanzt, hätte mit Sicherheit kein lokales, dann nationales und schließlich internationales Aufsehen erregt. Es ist gerade ihre – Sanktionen nicht achtende – Entschlossenheit, die sie zur Galionsfigur einer globalen Bewegung und zur Rednerin auf der politischen Weltbühne werden ließ.

Gretas Engagement berührt, ausnahmsweise scheint die Formulierung angemessen, eine Schicksalsfrage der Menschheit. Nach den Prognosen einer breiten Mehrheit der Klimaforscher wird sich das Weltklima dramatisch verändern, wenn wir fortfahren, im bisherigen Umfang Klimagase freizusetzen. Das Wort von der Klima-Flucht macht die Runde: Menschen könnten gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen, weil der Klimawandel ihre Lebensgrundlagen beschädigt.

Dagegen muss etwas geschehen. Das sagt nicht nur Greta Thunberg, das sagen auch die Staatenlenker der Welt. Es gibt, auch wenn lautstarke Leugner der Klimaerwärmung einen anderen Eindruck vermitteln, einen breiten internationalen Konsens. Im Übereinkommen von Paris vereinbarten 196 Staaten, die sich hinter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen versammelt haben, dass die durch den Menschen verursachte Klima-Erwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll.

Aber es geht nur sehr langsam voran. Der Vorsorge für kommende Generationen stehen immer wieder Bedürfnisse und bequeme Gewohnheiten unserer Jetztzeit im Weg. In Deutschland erlebten wir, wie eine ambitionierte Klimapolitik unter Druck geriet – wegen ihrer spürbaren wirtschaftlichen Folgen für uns, aber auch vor dem Hintergrund der Untätigkeit anderer Länder. Da droht eine Abwärtsspirale, die nicht nur ganz jungen Menschen Sorgen machen sollte.

Niemand ist gezwungen, die Dramatik des Klimawandels mit derselben Schärfe wahrzunehmen wie Greta Thunberg. Aber wir alle sollten das Engagement der jungen Leute dankbar annehmen. Es ist hochinteressant, die Niederschrift der Aktuellen Stunde des Bundestages vom 15. März zu lesen, in der es auch um die „Fridays for future“ ging. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann sprach den Schülerinnen und Schülern, die am Reichstagsgebäude vorbeigezogen waren, „herzlichen Glückwunsch zu ihrer Demonstration“ aus. „Wenn so demonstriert wird, ist das ein Beitrag zur demokratischen Willensbildung“, sagte der Niedersachse. Die AfD forderte die Absetzung des Themas, Oppermann machte weiter. Daraufhin verstieg sich der AfD-Abgeordnete Jürgen Braun zu dem Ausruf: „Herrschaft des Unrechts!“

Blühender Blödsinn! Es ist ein Zeichen der Klugheit und Reife, wenn unser Parlament das politische Engagement der Jüngsten würdigt. Schüler, die sich friedlich demonstrierend um eine der entscheidenden Zukunftsfragen kümmern, machen ihrer Familie und unserer Demokratie Ehre. Und sie widerlegen das Klischee von der „unpolitischen Jugend“.

Greta Thunberg sei Dank.