„Die Koalition sollte mit einer Stimme sprechen. Der dauernde Flirt mit dem Bruch der Regierung ist gefährlich.“

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Olaf Scholz nach der Kennenlernklausur in Meseberg über die Atmosphäre in der Koalition Auskunft geben sollten, antworteten beide etwas schmallippig. Sie nehme mit, dass der Wille zur Einigung da sei, sagte Merkel. Scholz antwortete: „Teambuilding gelungen. Der Rest kommt jetzt.“ Ein Jahr danach kann man den Rest nun bewerten: Auf Arbeitsebene gelingt Union und SPD einiges. Gerade in der jüngsten Zeit wurde ein Kompromiss beim Digitalpakt Schule gefunden, der Streit um den Paragrafen 219 a wurde gelöst, das Gute-Kita-Gesetz beschlossen, das Baukindergeld eingeführt, die Parität in der Krankenversicherung wiederhergestellt.

Doch der große Wurf ist es noch nicht. Dafür waren die Parteien zu sehr mit sich selbst beschäftigt.CDU, CSU und SPD tauschten nicht nur ihre Chefs aus, sondern stritten untereinander wie die Kesselflicker. Und zum einjährigen Geburtstag diskutiert Berlin vor allem darüber, ob und wie lange die GroKo halten wird. Dabei geht es in diesen Wochen wirklich um etwas, das ist auch den Spitzen der Koalition sehr bewusst. In kleinen Kreisen wird ein düsteres Bild der außenpolitischen Lage gezeichnet.

Der Brexit steht bevor, unklar, wie weit er die EU in einen wirtschaftlichen Abwärtssog mitreißt.Bei der Europawahl treten Populisten an, die den Kontinent in eine andere Richtung führen wollen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in dieser Situation Vorschläge gemacht. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer antwortet auf eigene Verantwortung, die SPD kritisiert reflexartig, die Kanzlerin lässt ausrichten, dass sie den Text der Parteifreundin unterstütze. Das Vorgehen gibt auch im Ausland kein gutes Bild ab. Die Koalition sollte ungeachtet von Wahlkämpfen mit einer Stimme sprechen. Der dauernde Flirt mit dem Bruch der Regierung ist gefährlich.