„Gut möglich, dass Macron eine Gelegenheit sah, Merkel zumindest einen kleinen Denkzettel zu verpassen.“

Zwei Nadelstiche aus Paris unterstreichen, dass es derzeit im deutsch-französischen Verhältnis hakt. Völlig überraschend hat Präsident Emmanuel Macron einen gemeinsamen Auftritt mit Kanzlerin Angela Merkel bei der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar kurzfristig abgesagt. Auch Frankreichs Position beim Erdgaspipeline-Projekt Nord Stream 2 zeigt, dass es in den bilateralen Beziehungen nicht rund läuft. Lange Zeit hatte Paris stillschweigend die deutsche Haltung bei der Ausweitung des Gasimports aus Russland unterstützt. Nun stellte sich Paris offen an die Seite der Kritiker einer zu großen Energie-Abhängigkeit von Moskau. Man muss die Missstimmigkeiten nicht dramatisieren. Das deutsch-französische Verhältnis ist deswegen nicht ernsthaft beschädigt. In vielen politischen Fragen wie Iran, Venezuela oder der gespannten Handelspolitik mit den USA stimmt man sich ab. Dennoch zeigt vor allem Frankreichs Schwenk beim Thema Nord Stream 2, dass es bei der Kommunikation gelegentlich knirscht. Gut möglich, dass Macron eine Gelegenheit sah, Merkel zumindest einen kleinen Denkzettel zu verpassen. Sein kühner Anlauf für eine stärkere Integration der Eurozone wurde von der Kanzlerin eher kühl aufgenommen. Dies hat man in Paris schmerzhaft registriert. Die leichte Eintrübung der deutsch-französischen Beziehungen passt ins größere Bild: Die EU ist derzeit außer Form. Dass sich selbst Gründungsmitglieder der Gemeinschaft wegen politischer Stilfragen in die Haare kriegen, zeigen die neuesten Reibungen zwischen Paris und Rom. Frankreich hat seinen Botschafter abberufen, weil sich Italiens stellvertretender Ministerpräsident ­Luigi di Maio ohne Vorwarnung mit Vertretern der „Gelbwesten“-Bewegung getroffen hatte. Was die Populisten in der italienischen Regierung betreiben, ist eine traurige Verrohung der politischen Kultur.