„Nach geltendem Recht konnte die Kommissarin nicht anders, als die Siemens-Alstom-Fusion zu verhindern.“

Margrethe Vestager lässt sich nicht beirren. Die EU-Wettbewerbskommissarin hat die Bahnfusion von Siemens und Alstom gestoppt – gegen Widerstand der deutschen und der französischen Regierung. Berlin und Paris drängten darauf, dass aus den Bahnsparten der Konzerne das zweitgrößte Eisenbahn-Unternehmen der Welt wird, damit Europa der sonst übermächtigen Konkurrenz aus China gewachsen ist. Von dort dürfte sich der größte Zughersteller CRRC aufmachen, den europäischen Markt aufzurollen. Doch aus dem Abwehrplan wird nichts. Der neue Champion würde in Europa teilweise zum Quasimonopolisten – mangelnder Wettbewerb werde zu höheren Preisen und weniger Innovation führen, meint Vestager.

Der Kommissarin steht Ärger ins Haus. Industriepolitisch ist ihre Entscheidung ein Rückschlag. Peking drängt mit Staatsdirigismus, mit gelenkten und gepäppelten Riesenunternehmen an die Weltspitze. Washington wehrt sich ungeniert mit Protektionismus und Sanktionen gegen Konkurrenz.

Die EU ist gefordert. Ja, sie muss europäischen Champions den Weg ebnen, Nachteile abbauen. Vestager allerdings ist da die falsche Adresse. Im konkreten Fall konnte sie nach geltendem Recht nicht anders entscheiden: Noch gibt es kaum chinesische Bahn-Konkurrenz in der EU, das wird sich so schnell auch nicht ändern. Auch der Blick aufs globale Ganze täuscht nicht darüber hinweg, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt mit dieser Bahnfusion massiv geschwächt wäre – zum Schaden der Verbraucher. Statt die Entscheidung zu kritisieren, sollte die Politik die richtigen Konsequenzen ziehen. Es ist gut, wenn in Europa jetzt eine ehrgeizigere Industriepolitik betrieben werden soll.

Wenn Länder wie China Konkurrenten unfair von ihrem Markt fernhalten wollen, dann muss die EU im Gegenzug den Firmen aus Fernost Auflagen machen. Das ist eine Frage der Handelspolitik.

Das bewährte Wettbewerbsrecht zu schleifen, wäre indes ein Irrweg. Um strategische Zusammenschlüsse in Zweifelsfällen durchzusetzen, würde ein Ausnahme-Instrument genügen, das es in Deutschland längst gibt: Die Ministererlaubnis, mit der der Wirtschaftsminister eine vom Kartellamt verbotene Fusion aus übergeordneten Gründen genehmigen kann. So etwas ließe sich auch auf EU-Ebene einführen.