Die schroffe Tonart soll überdecken, dass die EU in Wahrheit eine Zerreißprobe fürchtet.

Der britischen Premierministerin May ging bisher bei der Vorbereitung des EU-Austritts fast alles schief, aber auf der Schlussgeraden ist ihr noch ein Coup gelungen: May hat trickreich erstmals eine Mehrheit im Parlament hinter sich versammelt, die vielleicht doch noch den ausgehandelten Vertrag über einen geregelten EU-Austritt retten könnte. Sie hat den Ball zurück ins Brüsseler Spielfeld geschmettert – und im Namen der Abgeordneten Nachverhandlungen in der umstrittenen irischen Grenzfrage verlangt.

Der Erpressungsversuch in vorletzter Minute ist sicher nicht die feine englische Art. Aber das Pro­blem, vor dem die EU jetzt steht, hat man in Brüssel hinter verschlossenen Türen genauso kommen sehen. Kann die Union die Forderung nach Nachverhandlungen des Austrittsvertrags wirklich so harsch ablehnen?

Von den ersten Reaktionen aus Brüssel sollte sich niemand täuschen lassen. Die schroffe Tonart soll überdecken, dass die EU in Wahrheit eine Zerreißprobe fürchtet. So geschlossen ist das Lager der 27 Mitgliedstaaten in dieser Frage nicht. Dafür steht für die EU ja auch zu viel auf dem Spiel: Mit einem bloßen „No“ würde sie riskieren, dass es am 29. März tatsächlich zu einem chaotischen Austritt Großbritanniens kommt. Und die EU stünde in aller Welt ziemlich blamiert da. Aber noch ist das Debakel vielleicht abzuwenden. Es wäre töricht, diese Chance nicht zu nutzen.