„Getrieben von den Hardlinern hat die Premierministerin das Land an den Rande des Abgrunds geführt.“

Die Abgeordneten im britischen Unterhaus haben „No“ gesagt zum Brexit-Vertrag, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte. Und endlich hatten die Anti-EU- und die Pro-EU-Demonstranten auf der Straße vor dem Parlament etwas gemeinsam – sie bejubelten die krachende Niederlage, die May erlitten hatte. Nichts macht das Dilemma, in dem sich Großbritannien befindet, deutlicher.

Getrieben von den Hardlinern hat die Premierministerin das Land an den Rande des Abgrunds geführt. Doch das Problem heißt jetzt nicht Theresa May – auch wenn sie so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch zu machen war: Sie hat den Austrittsprozess (Artikel 50) ausgelöst, ohne ein Konzept in der Schublade zu haben. Vor allem aber war sie unfähig, den Brexit zu einer nationalen Schicksalsfrage zu machen, auf die parteiübergreifend Antworten gefunden werden müssen. May war und ist nicht die richtige Frau an der Spitze des Landes in diesen chaotischen Zeiten. Und man weiß nicht, ob man Mitleid haben oder sie bewundern soll, wenn sie nach all den beispiellosen Demütigungen immer wieder aufsteht. Aber es geht längst um mehr als um ihr Schicksal. Großbritannien ist zutiefst gespalten. So traurig es ist: Der giftige, politische Egoismus ist dabei, das einst so stolze Königreich der Lächerlichkeit preiszugeben. Partner von früher würden sich am liebsten abwenden: Sollen sie doch gehen, sollen sie doch zusehen, wie sie klarkommen …

Aber so einfach ist das nicht. In der globalisierten Welt ist autonomes Inselglück eine Illusion. Doch nicht die EU ist am Zuge, eine Lösung zu finden, sondern London. Das einzige, was Brüssel jetzt noch tun kann, ist den Briten Zeit zu geben. Zeit, das Scheitern einzugestehen und erneut das Volk zu befragen. Und Zeit für Europa selbst, sich auch nach einem zweiten Referendum auf einen harten Brexit vorzubereiten.