Die Entscheidung der USA zum Abzug ihrer Soldaten aus Nordost-Syrien hat die Welt aufgewühlt und einige Nato-Partner verunsichert. Die Syrien-Strategie war bereits unter Ex-US-Präsident Barack Obama planlos, im besten Fall reaktiv und ineffektiv. Offenbar fürchteten die Amerikaner die Absetzung Baschar Al-Assads und eine grundsätzliche Veränderung in Syrien. Diese Befürchtung wurde auch gegenüber europäischen Partnern kommuniziert, die sich zum Teil davon überzeugen ließen, eine Revolution sei eher ungünstig für die Region. Auch Israel machte dies deutlich. Die Strategie Russlands und des Irans ist damit aufgegangen.

Die 2000 Soldaten in Syrien und 14.000 Soldaten in Afghanistan werden nicht komplett abgezogen. Das können sich die USA nicht leisten. Letztlich werden Soldaten oder Spezialeinheiten bleiben, um das Geschehen im Land im Blick zu behalten. Dabei scheint die Bekanntgabe des Abzugs eher dem innenpolitischen Druck auf US-Präsident Donald Trump geschuldet zu sein. Er denkt an die nächsten Wahlen, und die Demokraten machen ihm das Leben schwer. Die Darstellung in der Öffentlichkeit als Vater der Nation, der die amerikanischen Söhne und Töchter nach Hause holt, lässt sich sicher gut vermarkten.

Trumps Desinteresse an Syrien und Afghanistan sowie der milde Kurs gegenüber Russland sind nicht neu. So ist es auch nicht überraschend, dass er seine Twitter-Politik fortführt und sich auf die eigene Zukunft konzentriert.

Die Zukunft Syriens

Die drei einflussreichsten Akteuren auf dem Boden in Syrien sind nach wie vor Russland, die Türkei und der Iran. Leider muss man feststellen, dass die Opposition stark marginalisiert wurde. Das Regime hat längst die Eigenständigkeit seiner Entscheidung eingebüßt. Es hat – außer in ein paar Orten – kaum noch die Kontrolle über die Milizen im Feld. Sie liegt vielmehr bei den vom Iran unterstützten schiitischen Milizen einerseits und Russland andererseits.

Russland versucht stets, eine politische Lösung zu erzwingen, die bis dato nicht umgesetzt werden konnte, weil es an internationaler Legitimität fehlt und an öffentlicher Akzeptanz in Syrien. Der Revolution ist es gelungen, das Regime von innen zu demontieren. Zurzeit besteht es mafia-artig aus mehreren scheinbar zusammenhängenden Gruppierungen, aber auf lange Sicht mit eigenen Zielen und Interessen. Und künftig werden diese Interessen wichtiger sein als das Regime selbst. Dann werden die jetzt noch verdeckten Konflikte sichtbar werden.

Voraussetzungen für Frieden

Syrien braucht eine effektive Politik, die die Menschen überzeugt, dass das Land nicht familiär oder von einzelnen Bevölkerungsgruppen regiert wird. Die Akzeptanz der Überlegenheit der alawitischen Bevölkerungsgruppe ist verloren. Das Land braucht eine echten republikanischen Charakter, anders als in den vergangenen 30 Jahren der Assad-Herrschaft.

Außerdem brauchen die vertriebenen Bürger die Zusage, dass sie sicher nach Hause zurückkehren können, um ihre Existenz mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft endlich wieder aufbauen zu können. Zurzeit versucht der Iran, seine wirtschaftliche Überlegenheit im Land zu sichern, indem er über syrische Strohmänner ganze Gebiete im Land, aber insbesondere in der Hauptstadt kauft und den richtigen Zeitpunkt abwartet, um in Erscheinung zu treten.

Ferner brauchen die Syrer eine Möglichkeit, die politische Opposition im Lande aufzubauen, um die absolute Herrschaft zu beenden. Das wird nicht nur das Regime verhindern wollen, sondern auch Interessengruppen, die die eigene Zukunft bedroht sehen. Der Lobbyismus ist in vollem Gange. Hier seien kleine wirtschaftsgebundene Gruppierungen erwähnt, die es darauf abgesehen haben, aus dem sogenannten Wiederaufbau den größten Profit zu schlagen.

Für den inneren sozialen Frieden ist die Aussöhnung unter den Menschen und den verschiedenen Gesellschaftsgruppen und Konfessionen in Syrien essenziell. Dafür braucht es die Implementierung einer Übergangsjustiz.

Das Regime versucht seit Jahrzehnten, eine demografische Veränderung im Land herbeizuführen. So waren die Lebenshaltungskosten in den Städten eine Stellschraube, an der das Regime immer gedreht hat – genau wie an den Preisen für Immobilien, mit denen Einwohner der Städte in die Randgebiete abgedrängt wurden. Unterstützern hingegen wurde der Immobilienkauf oft einfacher gemacht. So wurden die Städter verführt oder genötigt, ihre Häuser zu verkaufen, um zwei Immobilien in den Randbezirken zu erstehen. Dies geschah in den meisten Fällen nicht aus Gier, sondern war ein Ausweg aus der miserablen wirtschaftlichen Situation.

Notwendige praktische Schritte

Revolution und Gewalt wurden vom Regime und seinen Unterstützern ausgenutzt, um ganze Gebiete im Land strukturell demografisch zu verändern. Dieser Prozess muss rückgängig gemacht werden, um endlich ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Das Regime hat per Erlass die Voraussetzung geschaffen, viele im Ausland lebende Syrer zu enteignen. Die UN müssen in der Lage sein, eine Resolution zu verabschieden, die das Eigentum der Vertriebenen schützt.

Syrien zu befrieden, ist ein langer und mühsamer Prozess. Viele Milizen und Menschen müssen entwaffnet werden. Der Abzug der Waffen kann aber nur wirklich funktionieren, wenn die Menschen ein echtes Gefühl der Sicherheit entwickeln. Wenn das nicht gelingt, wird der innere Frieden immer in Gefahr sein.

Fazit

Zu Obamas Zeiten haben die Amerikaner den Irak den Iranern überlassen. Jetzt überlässt Trump Syrien ebenfalls dem iranischen Einfluss. Ob sich Russland mit den Iranern immer verstehen wird, ist allerdings zu bezweifeln. Die vom Iran unterstützten Milizen haben auf dem Boden mehr Kämpfer und stärken damit ihre Position. Die Russen werden sich damit zufriedengeben, ihre Militärbasis in Syrien zu unterhalten. Der Türkei genügt es, die eignen Grenzen zu sichern und einen zusammenhängenden kurdischen Staat verhindern zu können. Mit dem jetzigen Deal erreichen also vorerst alle ihre Ziele – außer Europa und Syrien.