„Vor dem UN-Gipfel in Kattowitz wird deutlich: Die Klimapolitik Deutschlands findet nicht statt – gegen alle Vernunft und Erkenntnis.“

Keine Ambition, kein Gestalten, kein Mut. Es ist beschämend, in welcher Verfassung sich die deutsche Klimapolitik vor dem UN-Gipfel im polnischen Kattowitz befindet. Ausgerechnet jetzt: Deutschland, das wichtigste Industrieland Europas, das Land der Ingenieure und Erfinder, verabschiedet sich in einer entscheidenden Phase der internationalen Klimaverhandlungen still und heimlich durch die Hintertür.

Eine Kanzlerin und ehemalige Umweltministerin, die keine Kraft mehr hat, um Entscheidungen durchzusetzen. Eine Regierungskoalition, die das Klimathema nach hinten verschiebt und innerhalb der EU für weniger Klimaschutz eintritt, um deutsche Arbeitsplätze und deutsche Autos nicht zu gefährden.

Ein Ministerpräsident des Energielandes Nordrhein-Westfalen, der beharrlich davor warnt, nicht übereilt aus der Kohleverstromung auszusteigen – während ihm die Wissenschaft klipp und klar sagt, dass so viel Zeit nicht bleibt, um die Klimafolgen in Grenzen zu halten. Zögern und Zaudern überall.

Deutschland wird mehr denn je gebraucht

Länder wie Deutschland gelten in den Klimaverhandlungen als Hoffnung jener, die nicht mehr gestalten können. Inselstaaten wie Tuvalu oder die Fidschis, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind, verhandeln während der UN-Konferenzen um ihr Überleben. Sie zählen zu den Ländern, die auf den Klimagipfeln um Geld bitten, um die Folgen des Klimawandels bewältigen zu können.

Sie müssen betteln bei den Ländern, die durch die Industrialisierung reich geworden sind, indem sie Kohle, Öl und Gas verbrannten – und die somit hauptverantwortlich für die Erderwärmung sind. Dabei wird Deutschland aus Sicht der Klimaschützer mehr denn je als treibende Kraft gebraucht.

Pariser Klimaabkommen noch gar nicht in Gang gesetzt

Drei Jahre ist es her, dass sich die Staatengemeinschaft in Paris erstmals auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Klimawandel verständigte. Bis dahin hatten über Jahrzehnte die Kluft und das Misstrauen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern eine Zusammenarbeit erschwert.

Das Abkommen von Paris galt als diplomatisches Meisterstück, denn nun sitzen alle Staaten an einem Tisch. Doch um das Abkommen überhaupt erst in Gang zu setzen, müssen in den kommenden zwei Wochen in Kattowitz jene Regeln verabschiedet werden, die für ein gemeinsames Vorgehen notwendig sind.

Auch Brasilien droht mit Ausstieg

Das Übereinkommen von Paris steht auf wackeligen Füßen seit US-Präsident Donald Trump den Rückzug der USA aus dem Abkommen verkündet hat. Formal wirksam wird die Kündigung erst im November 2020. Bis dahin aber wird die wichtigste Industrienation der Welt – so sieht es aus – sich inhaltlich nicht mehr an der Fortentwicklung des Klimavertrags beteiligen.

Die befürchtete Sogwirkung ist bislang ausgeblieben, das könnte sich nun ändern: Brasiliens künftiger rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro hat den Verbleib im Abkommen infrage gestellt. Er sieht die Souveränität Brasiliens über den Amazonas-Regenwald in Gefahr.

Deutsche Klimapolitik ist verantwortungslos

Das Ökosystem spielt in den Klimaverhandlungen als „Kippelement“ des globalen Klimasystems eine bedeutende Rolle. Und dass Brasilien vor wenigen Tagen seine Einladung zurückgezogen hat, Gastgeber der Weltklimakonferenz im kommenden Jahr zu sein, legt sich nun wie ein Schatten über den Gipfel von Kattowitz.

Wenn also Politik weder Mut noch Gestaltungswillen zeigt, gehen Menschen auf die Straße – egal ob aus Angst um den Job oder aus Angst um die Zukunft. Eine deutsche Klimapolitik, die nicht stattfindet, um keinem wehzutun, ist verantwortungslos. In Zeiten wissenschaftlicher Erkenntnis ist das schlichtweg nicht mehr hinnehmbar.