“Die Volksparteien waren immer dann stark, wenn sie charismatische oder sehr erfolgreiche Chefs hatten.“

Es gibt einen Niedergang der Volksparteien, der mit seltsamer Häme begleitet wird. „Wer braucht heute noch Volksparteien?“, fragte eine große Sonntagszeitung. Die Antwort wurde gleich mitgeliefert.

Aber wer braucht eigentlich ein Sammelsurium von Klientelparteien? Sind diese wirklich in der Lage, bessere Politik zu liefern? Es ist nicht logisch, dass die Anhäufung von Einzelinteressen besser geeignet sein soll, die Verhältnisse für alle zu verbessern. Ja, Union und SPD erodieren – aber es gibt Gründe dafür. Zum einen sind die Parteien mutlos, ideenarm und zunehmend unfähig, für ein breites internes Meinungsspektrum zu sorgen. Zum anderen sind die Vorsitzenden der Basis entrückt.

Die Volksparteien waren immer dann stark, wenn sie charismatische oder sehr erfolgreiche Chefs hatten. Wenn es an beidem fehlt – Charisma und Erfolg – wird es schwer, zu begeistern. Erfolge kann man Angela Merkel schwer absprechen, auch wenn ihre Bilanz durch die Einwanderungspolitik getrübt ist. Aber der Bundeskanzlerin ist die Leidenschaft zum Diskurs abhandengekommen. Selbst treue Gefolgsleute räumen ein, dass sie die Ränder der Partei vernachlässigt hat. Ohne Querköpfe mag es für Merkel zwar leichter zu regieren sein. Aber der CDU fehlt die Spannung, die am Ende Kraft erzeugt.

Bei der SPD ist die Lage noch dramatischer. Die Art, wie Andrea Nahles Kritiker behandelt, wird kaum neue, veränderungswillige Leute in die Führung locken. Profilierte Mahner sind kaltgestellt – Sigmar Gabriel lässt grüßen. Die Partei ist wie ein Schiff mit Kurs auf Klippen – und auf der Brücke halten sich alle die Augen zu, in der Hoffnung, dass die Felsen den Weg freimachen.

Starke Volksparteien sind nicht schlecht, sondern gut für eine stabile Demokratie. Aber sie müssen sich neu erfinden. Viel Zeit bleibt ihnen dazu nicht mehr.