“Die Wähler lassen in Meinungsumfragen erkennen, wie wichtig ihnen politische Stabilität ist.“

"Entscheidungen setzen Konflikte voraus, die entschieden werden müssen." Ludwig Erhard

Die wohl älteste Kaufmannsvereinigung Deutschlands feiert diese Woche ihren zweihundertsten Geburtstag. Die Union – Kaufmännischer Verein von 1818 mag selbst überrascht gewesen sein, wie hoch der politische Gehalt dieses Jubiläums ausfällt. Nicht, dass sich diese Netzwerkvereinigung des Mittelstandes unserer Region aufgemacht hätte, Parteipolitik zu treiben. Die Wirkung entsteht aus der mahnenden Erinnerung an die Tradition des ehrbaren Kaufmannes, der zu seinem Wort steht, mit seinen Partnern fair umgeht – und der weiß, was er will. Politik und Wirtschaft folgen zwar unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten. Es drängt sich aber die Vermutung auf, dass die Krise der Politik, die sich im bayerischen Landtagswahlergebnis wie in den Umfragen zur Landtagswahl in Hessen spiegelt, am ehesten mit einer Besinnung auf die Prinzipien anständiger Kaufleute lösen ließe.

Adalbert Wandt, seit 30 Jahren Präsident der Union, zitierte aus gutem Grund den bedeutenden Braunschweiger Unternehmer Heimbs, der in Verzagtheit große Gefahr sah. Was wäre eine Politik, die sich zitternd wie Herbstlaub im Wind der Meinungsumfragen dreht und biegt, anderes, als der eklatanteste Ausdruck der Verzagtheit? Was würde die Mahnung des Braunschweiger Unternehmers markanter unterstreichen als das Verhalten der Berliner Koalition?

Diese Woche wurde die Verschärfung der Mietpreisbremse diskutiert. Gut so, möchte man denken. Die Explosion der Mieten wird nicht nur in den Ballungsräumen zum Auslöser schwerster sozialer Verwerfungen.

Menschen mit kleinen Einkommen werden aus Teilen ihrer Heimatstädte geradezu herausgeworfen, denn die Mietforderungen gehen weit über ihre Möglichkeiten hinaus. Was Wunder, wenn sie sich von Parlament und Regierung verlassen fühlen? Auch Bessergestellte beginnen, sich Sorgen zu machen.

Nur wird auch die verschärfte Regelung den Wohnungssuchenden keine Hilfe sein. Sie ist Ausdruck der Verzagtheit vor der Aufgabe, die Ursache anzugehen: Es wird, niemand bestreitet es, zu wenig preiswerter Wohnraum gebaut. Das liegt mitnichten nur an der (legitimen) Profitorientierung der Investoren und Vermieter. Bauen ist viel zu teuer geworden, weil Baugrund durch Spekulation, Umweltvorschriften, starre Planungsprozesse und auch Verhinderungsstrategien der bereits Ortsansässigen künstlich verknappt wird. Verschärft wird die Lage durch eine ideologische Gesetzgebung mit Energiespar- und anderen Vorschriften, so dass selbst gemeinnützige Unternehmen Probleme haben, mit Quadratmetermieten unter zehn Euro zurechtzukommen. Statt Verwaltungsprozesse zu straffen, Umweltvorschriften auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen, steuerliche Förderungen von Investitionen in sozialen Wohnungsbau für Investoren zu verbessern und Bauen auf diese Weise einfacher zu machen, beschließt man eine wirkungslose Vorschrift: So lange Wohnraum knapp ist, werden die Preise steigen. Die einzig vernünftige Lösung läge in der Veränderung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage.

Die neue Regelung ist bezeichnend für sich wiederholende Fehler der Politik. Es regiert der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich jene Kompromissologen einigen, die heute viel zu oft den politischen Prozess bestimmen. Das Resultat ist nicht ein Kompromiss von der Art, der den Ausgleich der Interessen herstellt und zur Problemlösung führt. Es ist der faule Kompromiss, der nichts erreicht.

Weil die Bürgerinnen und Bürgern kluge Leute sind, werden sie angesichts solcher Scheinmanöver misstrauisch gegen Parlamente und Regierungen. Wenn Vorsitzende der Koalitionsparteien dann auch noch miteinander umgehen wie Raufbolde auf der Wies’n, wird alles nur noch schlimmer. Und wenn dieselben Personen im Streit um einen mittelbedeutenden Amtsleiter demonstrieren, dass sie den Kontakt zum Rechtsempfinden der Bürger verloren haben, wenden sich die Wählerinnen und Wähler mit Grausen ab. Es ist kein Zufall, dass es neben der AfD nun die Grünen sind, die auf einer Welle des Erfolges schwimmen. Sie haben sich personell neu erfunden, sprechen eine verständliche Sprache und vertreten klare politische Linien. So entstehen Vertrauen und Zustimmung.

Viel ist vom bevorstehenden Ableben der „Volksparteien“ gesprochen worden. Einmal abgesehen davon, dass dieser Begriff bei näherer Betrachtung grotesk ist, weil in einer Demokratie keine Partei „das Volk“ repräsentiert und wir von Glück reden können, dass die totalitären Irrtümer der NSDAP und SED auf dem Müllplatz der Geschichte gelandet sind: Es sei an dieser Stelle die These gewagt, dass der Tod von CDU, CSU und SPD keineswegs schicksalhaft vorherbestimmt ist. Die Wähler lassen in Meinungsumfragen erkennen, wie wichtig ihnen politische Stabilität ist. Die Hälfte der Deutschen sorgt sich aktuell, was aus dieser Stabilität werden könnte, wenn die Bündelung von Interessen und Konzepten in diesen traditionsreichen Parteien nicht mehr gelänge.

Es wäre Union und SPD ein Leichtes, Vertrauen zurückzugewinnen, wenn sie dem Beispiel ehrbarer Kaufleute oder prinzipienbewusster Politiker wie Ludwig Erhard, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Alfons Goppel folgen würden.

Das geht doch heute nicht mehr, in dieser radikal individualisierten Social-Media-Republik? Doch, es geht. Der CDU-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hat bei der Geburtstagsfeier der Kaufmännischen Union in einer klugen Rede auf das Beispiel Niedersachsens verwiesen. Hier arbeiten die großen Parteien in einer Koalition effizient zusammen, sie beweisen alltäglich jene Bodenhaftung, die ihre Berliner Kollegen verloren haben.

Unsere Kollegen des Berufsfindungsportals Raketenstart.tv werben mit dem schönen Slogan „Mach endlich deinen Job“. Dieses Erfolgsrezept funktioniert nicht nur beim Azubi.