„So einsam war es um die Kanzlerin noch nie.“

Nach der Krise ist vor der Krise – das ist das neue Regierungsmotto in Berlin. Wer als Bürger gehofft hat, dass sich die Politik nach dem unsäglichen Maaßen-Streit wieder echten Problemen zuwendet, erlebt staunend schon den nächsten Akt im Berliner Politik-Drama.

Völlig überraschend hat die mächtige Unionsfraktion ihren Chef und Merkel-Vertrauten Volker Kauder abgeräumt und einen Mann aufs Schild gehoben, den vor Wochen nur wenige kannten. „Das war eine Stunde der Demokratie“, erklärte die Kanzlerin nach der Wahl.

In Wahrheit war es die erste Kampfkandidatur um diesen Posten seit 1973. Beim Fraktionsvorsitz geht es traditionell nicht um demokratische Auslese, sondern immer um bedingungslose Loyalität.

Volker Kauder war loyal. Er hat Angela Merkel blind die Treue gehalten und die Fraktion, die zunehmend gegen ihren Flüchtlingskurs rebellierte, immer wieder gebändigt. Manches Mal sogar gegen die eigene Überzeugung. Mit ihm hat Angela Merkel im 13. Jahr ihrer Regierung den Organisator ihrer Macht und ihre politische Lebensversicherung verloren.

So einsam war es um die Kanzlerin noch nie. Angela Merkel kämpft zwar um ihr Amt. Aber ihr Machtverlust schreitet dramatisch schnell voran. „Was kann Angela Merkel eigentlich noch bewirken?“, fragen sich Parteifreunde und Bürger zu Recht.

Es herrscht Endzeitstimmung um die Kanzlerin. Wenn die Kanzlerin jetzt nicht schnell Führungsstärke beweist, wird sie das Ende der regulären Amtszeit nicht erleben.

Ob sie Kraft und Mut hat, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, ist fraglich. Es passt auch nicht zu ihrem Regierungsstil. Wahrscheinlicher ist, dass sich das Elend weiter hinzieht. Spätestens bei den Wahlen in Bayern und Hessen droht dann das nächste politische Beben. Und niemand wird noch darauf wetten, dass die Kanzlerin einen Triumphzug der AfD politisch überlebt.