“Merkels Entschuldigung ist kein Zeichen der Stärke. Dazu ist ihr die Sache mit Maaßen zu sehr aus dem Ruder gelaufen.“

Wer sich entschuldigt, gesteht einen Fehler ein. Die Kanzlerin hat genau das getan: Am Montag erklärte Angela Merkel, dass sie im Fall Maaßen zu bürokratisch gedacht habe und zu wenig daran, was die Menschen bewegt. Sie bedauere das sehr, sagte Merkel. Doch ist es damit getan?

Was bedeutet diese Entschuldigung für die Regierungschefin, ist sie eine Geste der Stärke oder der Schwäche? Die Erfahrung zeigt: Eine gute Entschuldigung kann Schwäche in Stärke verwandeln. Doch dazu braucht es Glaubwürdigkeit.

Bedauern oder Strategie?

Die meisten Menschen haben ein gutes Gespür im Umgang mit Entschuldigungen. Sie wissen, es kommt auf zwei Dinge an. Erstens: Empfindet da jemand persönliches Bedauern oder ist die Entschuldigung nur Teil seiner Strategie? Klar: In den wenigsten Fällen lässt sich das eine komplett vom anderen trennen. Doch das Gewicht einer Entschuldigung hängt erheblich davon ab, wie viel davon dem Kalkül geschuldet ist und wie viel davon ehrliches Schuldeingeständnis ist.

Der historische Kniefall von Willy Brandt in Warschau war am Ende beides: eine kluge Geste, um die junge Bundesrepublik nach innen wie nach außen als Land zu definieren, dass aus seiner Vergangenheit gelernt hat. Glaubwürdig wurde der Kniefall aber gerade dadurch, dass Brandt ihn nicht lange geplant hatte, sondern intuitiv handelte.

Entscheidend für das Gewicht einer Entschuldigung ist aber auch der Zeitpunkt: Je länger einer mit der Entschuldigung wartet, desto fraglicher sind in der Regel seine Motive. Doch was heißt das nun in Merkels Fall?

SPD-Chefin Andrea Nahles hat bereits Ende letzter Woche Fehler eingestanden: „Wir alle drei haben uns geirrt.“ Merkel dagegen hat gewartet, bis eine neue Lösung im Fall Maaßen erzielt war. Und: Sie wählte die Form der Entschuldigung am Anfang einer Woche, die für die Kanzlerin gleich den nächsten Krisenfall bereithält: An diesem Dienstag wählt die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag einen neuen Vorsitzenden. Merkel will, dass ihr treuer Statthalter Volker Kauder den Job weitermacht, um ihr zuverlässig den Rücken frei zu halten.

Viele in der Union dagegen wollen, dass die Fraktion weniger als Merkels Parlamentsbastion agiert, sondern sich als selbstbewusste und vor allem widerspruchsfähige Parlamentariertruppe zeigt. Unterm Strich heißt das: Merkel muss fürchten, dass dieser Dienstag nach der verpfuschten Lösungssuche im Fall Maaßen den nächsten Beweis für die Erosion ihrer Macht liefert. Da kann es klug sein, ein „Ich habe verstanden“-Signal auszusenden, um der Anti-Merkel-Welle die Wucht zu nehmen.

Kein Zeichen der Stärke

Kalkül spielt also durchaus eine Rolle. Doch es wäre unfair, der Kanzlerin zu unterstellen, ihr öffentliches Bedauern diene einzig dem Machterhalt. Merkel zeigt in der Öffentlichkeit relativ selten Gefühle – da unterscheidet sie sich nicht von vielen anderen Profipolitikern. Gerade deshalb aber ist es bemerkenswert, dass die Kanzlerin ausgerechnet jetzt persönlich wird.

Merkels Entschuldigung ist kein Zeichen der Stärke. Dazu ist ihr die Sache mit Maaßen zu sehr aus dem Ruder gelaufen, dazu lässt sie sich zu sehr von ihrem Innenminister Horst Seehofer treiben. Ihre Entschuldigung ist eher das Bemühen, mit einer respektablen Geste die Schwäche in Stärke zu verwandeln. Mehr noch: Das öffentliche Bedauern ist vor allem Merkels später Versuch, wieder an die Gefühlslage der Bürger anzudocken.

Für viele kommt dieser Versuch zu spät. Denn Merkels Diagnose, dass ihre Regierung zu wenig daran gedacht hat, was die Menschen bewegt – diese Diagnose trifft schon lange zu. Ihre Entschuldigung ist deswegen nicht wertlos – hat aber wenig Wucht.