„Die Frage nach dem Selbstverständnis der traditionell wichtigsten Parteien stellt sich dringlicher denn je.“

Man muss sich nicht wild auf jede Umfrage stürzen. Aber es wäre unklug, sie allesamt an sich vorbeirauschen zu lassen. Aus den neuen Emnid-Zahlen geht hervor, dass die AfD erstmals die Partei ist, die in den neuen Bundesländern die meisten Stimmen bekäme. Die Nachricht hat Schmackes. Das geht schon damit los, dass man fast dreißig Jahre alte Länder noch „neu“ nennt. Und ist es nicht erstaunlich, wie keck man die Umfrage-Ergebnisse zusammenrechnet, obwohl es gar keine spezielle „Ost-Wahl“ gibt? Aber man tut es ja nicht ohne Grund: In Sachsen, Thüringen usw. wird halt anders gewählt. Faustformel: Protestparteien sind noch erfolgreicher. Dies zeigen nicht nur die 25 Prozent für die AfD, sondern auch die 18 Prozent für die Linkspartei. Somit hätte also nicht nur die irgendwie links, sondern auch die irgendwie rechts grundierte Unzufriedenheit ein Stammlokal gefunden... Bei der Erklärung „östlicher“ Ergebnisse war oft von Rückständen der Diktatur die Rede. Angesichts der Entrücktheit der DDR-Historie scheint dieses Argument schal zu werden. Wie, wenn umgekehrt ein Schuh daraus würde? Wenn die Ost-Trends das Modell wären, auf das sich alle deutschen Demokraten einstellen sollten? Die Frage nach dem Selbstverständnis der traditionell wichtigsten Parteien und die Frage, wie man sich eigentlich in einer wackeligen Sechs-Parteien-Szenerie mit Protestwählern, Wechselwählern und allerhand Extremismus-Flirts vernünftige Regierungsbildungen ausmalt, stellen sich dringlicher denn je.