“Es fehlen die großen Trassen, die Ökostrom aus dem Norden in die wirtschaftlichen Zentren des Südens transportieren können.“

Große Projekte erfordern mitunter auch große Worte. Ein Vorbild für die Welt wolle Deutschland bei der Energiewende sein, verkündete jetzt Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Dumm nur, dass sich die tatsächlichen Leistungen umgekehrt proportional zur verbalen Großtat verhalten. Hektisch wurden nach der Rolle rückwärts beim Atomausstieg nach der Katastrophe von Fukushima 2011 Windkraftanlagen gebaut. Vor allem dort, wo der Wind am beständigsten weht – im Norden. Um dann festzustellen, was jeder von zu Hause kennt: Dort, wo man den Strom manchmal braucht, ist gerade keine Steckdose vorhanden.

Was im Haushalt mit einem Verlängerungskabel leicht behoben werden kann, wächst sich beim Mega-Projekt Energiewende zum Mega-Problem aus. Es fehlen die großen Trassen, die Ökostrom aus dem Norden in die wirtschaftlichen Zentren des Südens transportieren können. Konnte ja niemand ahnen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren langwierig sind, betroffene Anwohner von neuen Hochspannungsmasten und Erdkabeln, die den Boden erwärmen, wenig begeistert sein könnten und klagen würden. Sei es nun, weil sie diffuse Ängste vor Strahlungen plagen oder die schlichte Sorge um den Wert des Eigenheims.

Immerhin, Altmaier erklärt nun, die Probleme erkannt zu haben und sie mit seinem „Aktionsplan Stromnetz“ bannen zu wollen. Die Bundesländer sollen dann bei der Planung weniger mitreden können – Widerstand im Bundesrat ist garantiert. Planungsverfahren sollen beschleunigt werden – die Bürgerinitiativen gegen den Netzausbau bekommen ein neues Feindbild. Und irgendwie geistern da im Hinterkopf die anderen Versprechungen der Regierung – wie etwa der Ausbau des schnellen Internets – herum. Deutschland ein Vorbild für die Welt? Manchmal eher ein abschreckendes Beispiel.