„Die Deutschen schätzen ihre Kanzlerin. Aber sie ahnen, dass Merkel aus der Zeit gefallen sein könnte.“

Sie will sich nicht neu erfinden, überraschen oder glänzen, nicht mal variieren. Manche Sätze beginnt Angela Merkel gleich mit dem Hinweis „Ich habe das oft gesagt“. Medialer Auftrieb und Erkenntnisgewinn der „sommerlichen Begegnung“, wie Merkel ihre Pressekonferenz nennt, stehen in einem Missverhältnis. Eine Botschaft war klar: die Schuldfrage der CSU im Asylstreit. Er war schroff im Ton, hat geschadet, Verdruss provoziert, Vertrauen gekostet. Und doch hat er sich für Merkel gelohnt, weil die Kanzlerin ihre Linie durchgesetzt hat – keine nationalen Alleingänge – und klar geworden ist, dass nur Minister sein kann, wer ihre Richtlinie akzeptiert. Unter den Machtpolitikern ist Merkel die Feinmechanikerin: akkurat, sachlich, detailversessen, geduldig. Sie ist indes zunehmend von Hauruck-Politikern umgeben – Putin, Trump, Erdogan, Orbán. Die Deutschen schätzen ihre Kanzlerin. Aber sie ahnen, dass Merkel aus der Zeit gefallen sein könnte. Auf die Frage, wem sie am meisten vertrauen, schnitt der französische Präsident Macron in einer Umfrage besser als Merkel ab.

Jedes Volk sehnt sich nach dem, was es vermisst: die Franzosen nach guten Zahlen, die Deutschen nach einer Regierungschefin, die leidenschaftlich, begeisternd, mitreißend und keine Weiter-so-Kanzlerin ist.

Die Deutschen schätzen ihre Kanzlerin. Aber sie ahnen, dass Merkel aus der Zeit gefallen sein könnte.