Zwei Heimathäfen einer ganzen Generation wurden in der vergangenen Woche stillgelegt: der Musik-Fernsehsender Viva und die Printausgabe des Magazins Neon. Beide – der eine bunt und schrill, die andere leise und tiefgründig – prägten über viele Jahre den Zeitgeist junger Menschen.

„Eigentlich sollten wir erwachsen werden“, war die Losung der allerersten Neon, die im Jahr 2003 erschien. Und sie war gleichzeitig ein Versprechen. Sie bot den 20- bis 30-Jährigen ein Zuhause. Für ihre Themen, für ihre Gedanken und für ihre Meinungen.

Die Neon positionierte sich mit einem Mix aus Sex, Liebe, Kultur und Politik am Zeitschriftenmarkt. Sie lieferte aufwendige Optik, aufwendige Texte – doch vielleicht ist das passiert, was die Neon in ihrer ersten Ausgabe noch so lapidar mit ihrem Motto beiseite geschoben hatte: Sie ist erwachsen geworden. Mit ihren Machern, ihren Schreibern und einem Teil ihrer Leser – und hat dabei vergessen, eine neue Generation Konsumenten heranzuziehen.

„Die heute 20-Jährigen haben neue Lebensbegleiter gefunden, im Zeitschriftenregal, aber auch im Netz“, schrieb Neon-Chefredakteurin Ruth Fend in ihrem Abschiedsbrief an das Magazin. Neon verlor seit 2011 drei Viertel seiner Auflage. Waren es im Jahr 2009 noch 23 5000 verkaufte Hefte, so griffen zuletzt nur noch 60 799 Menschen zur gedruckten Neon. Und in der Tat tummelt sich die Konkurrenz im Netz. Der Spiegel hat Bento, die Süddeutsche hat Jetzt.de, die Zeit hat Ze.tt. Eine Zeitschrift – vielmehr ein Lebensgefühl – kannibalisiert durch das Internet? Mitnichten!

Als ich 2014 meine erste Neon erstand, und mich plötzlich erwachsener und irgendwie aufgefangen fühlte, war die Zeitschrift für den ehemaligen Stern-Chefredakteur Dominik Wichmann bereits am Abgrund. Auf Twitter schrieb er kürzlich, das Ende der gedruckten Neon sei keine Frage des Zeitgeistes, sondern „eine Folge von jahrelangem verlegerischen Missmanagement“.

Und auch ich merkte mit der Zeit, dass ich die Neon immer oberflächlicher durchblätterte, während ich anfangs noch Artikel für Artikel verschlungen hatte. Zwar blitzte immer wieder ein Glanzstück auf, aber das Magazin hatte sich verändert, ja entfremdet. Vielleicht, weil es nicht mehr das tat, für das es einst gestanden hatte.

Gleiches gilt für Viva. Der Musiksender war ebenfalls mit einem Versprechen gestartet. „Und ab heute bleiben wir für immer zusammen, okay?“, sprach Heike Makatsch im Dezember 1993 in die Kameras. Ein verrückter Haufen war angetreten, dem Branchenprimus MTV Feuer unterm Hintern zu machen. Mit Formaten, die anders waren. Mit der Überzeugung, dass Musik auch in Deutschland eine Generation prägen kann. Das erste Lied, das über die Röhrenfernseher unserer Republik flimmerte. „Zu geil für diese Welt“ von den Fantastischen Vier. Ein deutsches Lied. Ein Statement. Und es war schlichtweg cooler den Viva-Wecker einzuschalten, als das Radio am Frühstückstisch der Eltern. Zum Jahresende wird Viva, das sich den Sendeplatz zuletzt nur noch mit Comedy Central teilte, komplett eingestellt. Wohl auch, weil die heutige Generation Musikvideos nicht mehr im Fernsehen schaut, sondern im Internet. Doch auch Viva kam von seinem Weg ab. Statt Musik mehrten sich Klingelton-Clips und andere Werbung - die Musik wurde zweitrangig. Alles nur auf die Online-Konkurrenz zu schieben, wäre deshalb verlogen. Da haben wir wieder das Problem mit dem Erwachsen werden.

Neon-Redakteur Christopher Piltz, der einst auch für unsere Zeitung schrieb, sagt: „Das Neon-Aus kam überraschend, aber es war konsequent.“ Allerdings meint er auch: „Es ist schwer, nun etwas Vergleichbares im Zeitschriftenregal zu finden.“

Bei Viva war das anders, aber für den Sender kam jede Hilfe zu spät. Die Neon hingegen lebt digital weiter – und kann für eine neue Lesergeneration wieder ein Heimathafen werden. Mit Versprechen? Ohne Versprechen? Oder findet die junge Generation neue publizistische Heimathäfen? Wer weiß?

Fakt ist jedoch – Neon und Viva werden fehlen, weil sie anders waren als ein Großteil der zunehmend monotonen Medienwelt.