„Wenn eine Region Fördermittel verschenkt, weil sie sinnvolle Projekte mangels eigener Kraft nicht entwickelt, verliert sie Chancen. Dagegen kann man etwas tun.“

„Geh nicht sanft in diese gute Nacht.“
Dylan Thomas

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Der Bericht über meinen Tod war eine Übertreibung, schrieb Mark Twain im „New York Journal“. Er ist in guter Gesellschaft. Im Kreise Helmstedt, wo längst keine Braunkohle mehr gewonnen wird, wo sich vermeintliche Stärke der Wirtschaft nach dem Ende der Zonenrandförderung als Chimäre entpuppte, zeigt sich neue Vitalität. Wer heute durch die Kreisstadt geht, sieht an vielen Stellen hübsch sanierte Gebäude, denen die niedrigen Zinsen eine zweite Chance schenkten. Die Arbeitsplätze, die den Großstädten Braunschweig und Wolfsburg erfreulichen Zuzug verschafften, sollten auch dem Kreis Helmstedt helfen – und zwar nicht mehr nur im Speckgürtel, sondern auch mittendrin. Da könnte und müsste noch viel mehr geschehen. Aber die äußeren Anzeichen stimmen hoffnungsfroh. Der Mangel an Wohnungen in den Großstädten könnte den Blick auf andere Standorte gelenkt haben. Da an guten Schulen und anderen Vorzügen der Infrastruktur kleiner und mittlerer Städte kein Mangel ist, deutet sich ein Wandel in ganzer Breite an – Immobilienanzeigen künden von „Luxuswohnungen in Helmstedt“.

Die Lübbensteine – Großsteingräber vor den Toren Helmstedts – laden Spaziergänger zur Pause ein.Foto: Archiv
Die Lübbensteine – Großsteingräber vor den Toren Helmstedts – laden Spaziergänger zur Pause ein.Foto: Archiv

Der totgesagte Kreis brauchte und bekam Leuchttürme wie das Forschungs- und Erlebniszentrum „Paläon“, das mit Hilde der VW-Belegschaftsstiftung und einer engagierten Truppe von Ehrenamtlichen gerade 5000 Kinder aus der Region neu- oder wiedererlebt haben. Diese Leuchttürme stellen das verdrießliche Bild infrage, das sich der eine oder andere von diesem bedeutenden Teil unserer Region gemacht hat. Der Landkreis Helmstedt ist mehr als das moribunde Kraftwerk Buschhaus oder die an Kraterlandschaften erinnernden Areale, die der Tagebau hinterließ. Landrat Gerhard Radeck war angetreten, Infrastruktur und Wirtschaftslage des Kreises zu verbessern. Diese Bemühungen beginnen offenbar, erste Früchte zu tragen. In einem ehemaligen Postgebäude entsteht gerade eine vielversprechende Einheit: Wirtschaftsförderung und Verbesserung der Infrastruktur erhalten ein echtes Hauptquartier; Kreis und Kreisstadt bündeln hier ihre Kräfte.

Wenn es nach dem Willen des CDU-Politikers geht, werden von der Poststraße Impulse ausgehen, die Glasfaser-Verkabelung und neue Gewerbegebiete, aber auch die deutliche Verbesserung der touristischen Angebote anstoßen und beschleunigen.

In der Vergangenheit hatte es an Gemeinsamkeit gefehlt, was fatale Konsequenzen haben kann. Wenn eine Teilregion nur deshalb nicht an Fördermittel kommt, weil sie sinnvolle Projekte mangels eigener Kraft nicht bis zur Förderreife entwickelt, verliert sie kostbare Chancen. Dagegen kann man etwas tun, wie der ehemalige Helmstedter Landrat und heutige Landesbeauftragte Matthias Wunderling-Weilbier immer wieder sagt. Der frühere Leiter des Bundespräsidialamtes, Prof. Lothar Hagebölling, hat sich bereiterklärt, den Aufbruch des Kreises Helmstedt zu begleiten. Man kann sich kaum einen besseren Unterstützer denken.

Es sind durchaus nicht nur die aufwendigen, teuren Infrastrukturprojekte, die eine Region interessant machen, ins Gespräch und voranbringen können. Natürlich braucht der Kreis Helmstedt eine bessere Nahverkehrsanbindung nach Wolfsburg. Die scherzhaft als „Radeck-Schleife“ apostrophierte Anbindung an den Bahnverkehr ist weit von der Realisierung entfernt.

Der Landkreis Helmstedt könnte mit einer konzertierten Kraftanstrengung und dank der Revier-Förderung des Bundes und der Hilfe des Landes Niedersachsen viele kleinere Beweise seiner Handlungsfähigkeit antreten. Wer sagt, dass nicht selbst die allmählich volllaufenden Bergbauseen auch jetzt schon attraktive Ziele des boomenden Fahrrad-Tourismus sein könnten? Die Wegenetze durch die Hügellandschaften des Kreises müssten an einigen Stellen nur vervollständigt werden. Bei vielen Möglichkeiten der Entwicklung, kann bürgerschaftliches Engagement eine bedeutende Rolle spielen.

Erinnert sei an die Initiative des Schöninger „Gemeinsam“-Preisträgers Thomas Kempernolte und seiner Mitstreiter für die Wege im Naturpark Elm-Lappwald. Zu wünschen wäre, dass solche guten Ideen nicht nur innerhalb kommunaler Grenzen verfolgt werden – die Überwindung des Übergangs von einem Kreis zum anderen sollte wahrlich nicht zur Herausforderung werden.

In den Teilregionen unserer Heimat, die eher mit Andrang als mit mangelnder Anziehungskraft kämpfen, mag man die Bemühungen in Helmstedt mit amüsierter Skepsis betrachten. Wer sich nicht ergibt, sondern das Bestmögliche aus seiner Lage macht, hat Respekt und Unterstützung verdient.

Das Wochenende verspricht, sonnig zu werden. Es ist eine gute Gelegenheit, sich ein neues Bild von einigen der schönsten niedersächsischen Landschaften und Städte zu machen. Leuchttürme haben ja keinen Sinn, wenn niemand bereit ist, sie wahrzunehmen – und die blühenden Bäume entlang der Strecke Braunschweig - Schöppenstedt- Schöningen alleine sind schon einen Ausflug wert.