„Nicht jedes unwichtige Formular einer Bank muss der Individualität des Einzelnen in allen Facetten gerecht werden.“

Eine 80 Jahre alte Saarländerin will nicht länger hinnehmen, dass sie auf den Formularen ihrer Sparkasse als „Kunde“ angesprochen wird. Sie sei eine Kundin, so will sie auch tituliert werden. Der Fall ist bis vor den Bundesgerichtshof gegangen, ein Urteil steht noch aus.

Marlies Krämer ist sozusagen Wiederholungstäterin: Sie hat zum Beispiel dafür gekämpft, dass Tiefdruckgebiete auf der Wetterkarte auch männliche Namen bekommen. Das war ein sinnvoller Kampf, finden die meisten Leute doch Regen eher doof. Tiefs mit weiblichen Namen auszustatten, das konnte man tatsächlich als eine Art Diskriminierung ansehen. Und es stimmt ja: Sprache bildet die Realität nicht nur ab, sondern beeinflusst auch, wie wir sie wahrnehmen.

Beim aktuellen Streit der alten Dame ist es komplizierter. Es geht um Formulare, also Unterlagen und Texte, deren ganzer Zweck darin besteht, dass sie sich an einen größeren Personenkreis richten und entsprechend unpersönlich gehalten sind. Damit ist keine Wertung verbunden. Jedem einzelnen Empfänger die für ihn passende Anrede zukommen zu lassen, würde den Aufwand stark erhöhen. Also immer weibliche und männliche Anrede nutzen? Was ist dann mit Intersexuellen, die kürzlich ihr Geschlecht im Reisepass erstritten haben? Die nächste Klage könnte drohen.

Der BGH wäre wohl gut beraten, die Klage abzuweisen. Nicht jedes unwichtige Formular muss der Individualität des Einzelnen in allen Facetten gerecht werden. Und mal ehrlich: Gibt es in Zeiten fortbestehender Lohnungerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und der Me-too-Debatte nicht wichtigere Fragen zu klären?