Laut Europol gab es im besonders terrorreichen Jahr 2016 in der Europäischen Union 142 Tote und 379 Verletzte bei Terroranschlägen, ein kleiner Teil davon in Deutschland. Objektiv betrachtet ist die Gefahr, bei einem Terroranschlag zu Schaden zu kommen, verschwindend gering. Trotzdem ist der Terrorismus die Hauptsorge der Deutschen.

Psychologisch lässt sich dies gut erklären. Durch den Überraschungseffekt, die Brutalität vieler Anschläge und die intensive Berichterstattung in den Medien wirkt die Terrorgefahr unnatürlich groß. Ganz so wie die Terroristen es gerne haben möchten.

Das verzerrte Verhältnis von empfundener und realer Gefahr hat erhebliche Folgen: für den Einzelnen, dessen Lebensglück abnimmt oder der – weil er zufällig jung, männlich und Moslem ist – einem Generalverdacht ausgesetzt wird, wie auch für die Gesellschaft, in der der Wunsch nach „mehr Sicherheit“ wächst. Erfüllt wird dieser Wunsch zumeist mit polizeilichen und strafrechtlichen Maßnahmen.

Was die Bevölkerung kurzfristig beruhigt, hat jedoch nur selten eine nachhaltige Wirkung. Es wird oftmals übersehen, dass Sicherheit eine Dienstleistung ist: Sie wird im Moment ihrer Herstellung verbraucht. Solange ein Polizist einen Ort bewacht, ist dieser sicher; wird der Polizist abgezogen, wenn Geld für die Bewachung fehlt, verschwindet die Sicherheit wieder.

Die tiefer liegenden Ursachen des Terrorismus aber bleiben. Deshalb bedarf es zusätzlich vorbeugender, also längerfristig angelegter Maßnahmen, die helfen, zu verhindern, dass Menschen sich etwa aufgrund persönlicher Probleme oder ungünstiger sozialer Rahmenbedingungen Terrorgruppen anschließen. Gerade gegen den „hausgemachten“ Terrorismus, der in Europa oft vorkommt, können derartige Maßnahmen sehr wirksam sein.

Der verängstigte Bürger möchte aber sofortige, gut sichtbare Sicherheitsmaßnahmen – und so verschieben sich die Gewichte stets zugunsten von Sicherheitskräften und Strafrecht. Selbst Weihnachtsmärkte in Klein städten bekommen Betonpoller und Sicherheitspersonal, obwohl die benachbarte, nicht gesicherte Haupteinkaufsstraße genauso viel oder wenig einer Terrorgefahr ausgesetzt ist. Für die lokale Integrations- und Jugendarbeit fehlt es dagegen allzu oft an Geld.

Diese Mechanismen, die nach fast jedem Terroranschlag ablaufen, spielen den Terroristen in die Hände, weil jede panische Reaktion ihre Macht demonstriert. Umgekehrt gilt aber auch, dass eine unaufgeregte Reaktion der Bürger nicht nur die Debatte um den besten Mix an Antiterrormaßnahmen versachlicht, sondern die Rechnung der Terroristen durchkreuzt. Eine realistische Einschätzung des objektiv geringen Terrorrisikos ist dabei der erste Schritt zu einer kühl-rationalen Bewertung der Lage.