„Geben die Mitglieder grünes Licht für die Große Koalition, haben Nahles und Scholz die erste Etappe ihrer Mission erfüllt.“

Die SPD hat noch mal die Kurve gekriegt. Jedenfalls fürs Erste. Man weiß ja nie, was den Genossen als nächstes einfällt, um die Republik bei Laune zu halten. Tagelang kriegte sich die Partei wegen Satzungsfragen in die Haare, wann, wie und überhaupt Andrea Nahles die Schulz-Nachfolge antreten darf. Ein genervter Spitzengenosse meinte nach der Einigung auf die vorläufige Doppelspitze Scholz/Nahles, die SPD habe sich wie ein Kaninchenzüchter-Verein aufgeführt.

Juristisch gesehen ist Scholz nun bis zu einem Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden alleiniger Chef. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Scholz ist in der Partei der unbeliebteste Vize. Bei seiner Wiederwahl im Dezember erhielt er 59,2 Prozent. Der Hamburger Noch-Bürgermeister ist aber wie Nahles Profi und kann als erfahrener Steuermann im Willy-Brandt-Haus der SPD wertvolle Dienste leisten. Bei der Basisbefragung steht das weitere Schicksal der ältesten deutschen Partei auf dem Spiel. Nahles wollte zwar unbedingt sofort alle Macht für sich – nach der ersten Enttäuschung über den Dämpfer wird sie froh sein, die große Last des Mitgliederentscheids mit Scholz teilen zu können.

Geben die Mitglieder nun aus Angst vor einer Neuwahl grünes Licht für die Große Koalition, haben Nahles und Scholz die erste Etappe ihrer Langzeit-Mission erfüllt. Die SPD würde Zeit gewinnen, um sich in der Regierung neu zu sortieren und auf ein Ende der Ära Merkel zu hoffen. Aber was kommt dann? Scholz’ Bierzelt-Botschaft, die SPD-Verheißung „Mit uns schreitet die neue Zeit“ aus der Parteihymne „Wann wir schreiten Seit’an Seit’“ habe nichts an Aktualität eingebüßt, ist dünne Suppe.

In der Arbeitsgemeinschaft 60 plus kommt das vielleicht gut an – als Slogan für von Facebook und Instagram geprägte junge Generationen digitaler Wanderarbeiter taugen die Lieder von vorgestern nicht mehr.