„Nahles’ historische Mission: Sie muss den Niedergang abwenden – und das Überleben der SPD als Volkspartei sichern.“

Die SPD hat seit dem Jahr 2000 sieben Vorsitzende verschlissen: Gerhard Schröder, Franz Müntefering, Matthias Platzeck, Kurt Beck,
erneut Franz Müntefering, Sigmar Gabriel und Martin Schulz. Müntefering nannte den SPD-Vorsitz zwar „das schönste Amt neben Papst“. Doch eigentlich ist dieser der Schleudersitz der Republik.

Jetzt also Andrea Nahles. Erstmals wird, nach mehr als 150 Jahren, eine Frau die älteste Partei Deutschlands führen. Die SPD ist endgültig kein Männerverein mehr. Sie ist in der Realität angekommen. Es wurde Zeit.

Die zweite gute Nachricht für die SPD: Mit Nahles übernimmt eine erfahrene und zähe Politikerin. Sie hat das Zeug, aus der zutiefst verunsicherten SPD wieder eine selbstbewusste Partei zu machen. Mehr Kampfkraft als Schulz, der im Wahlkampf „Ich will nach Hause“ jammerte, hat sie allemal. Nahles hat viel, was Schulz nicht hat. Vor allem aber ist sie glaubwürdig. Schulz hatte ausgeschlossen, Minister unter Merkel zu werden. Jetzt rettet er sich in das prestigeträchtige Amt des Außenministers, weshalb er schon als „Umfaller“ kritisiert wird. Und er verdrängt seinen Freund Sigmar Gabriel – ohne eine Begründung zu geben, warum er besser für den Job geeignet ist. Das wäre Nahles nicht passiert.

Die SPD hat Nahles bitter nötig. Umfragen sehen sie aktuell bei 17 bis 20 Prozent. Viele sozialdemokratische Parteien in Europa sind schon untergegangen. Nahles’ historische Mission: Sie muss den Niedergang abwenden – und das Überleben der SPD als Volkspartei sichern.

Ihre größte Herausforderung liegt zunächst darin, die SPD-Mitglieder vom Nutzen der Großen Koalition zu überzeugen. Den Parteitag in Bonn hat sie mit einer leidenschaftlichen Rede auf Groko-Kurs gebracht. Dieses Kunststück muss die Parteichefin auf Probe nun wiederholen. Der Mitgliederentscheid wird auch ein Votum über sie.