„Paris und Berlin haben schon oft stellvertretend Gegensätze ausgetragen.“

Frankreichs Präsident Macron hatte schon recht: Etwas mehr feierliche Symbolik wäre zum Jahrestag des deutsch-französischen Élysée-Vertrags angemessen gewesen. Die Vereinbarung zwischen Paris und Berlin vor 55 Jahren besiegelte nicht nur das Ende einer „Erbfeindschaft“. Es schaffte erst die Voraussetzungen für den beispiellos engen Schulterschluss ihrer Regierungen bei der europäischen Integration. Aber auch ohne Pomp erleben die deutsch-französischen Beziehungen nach jahrelanger Flaute einen neuen Aufbruch: Was die Parlamente am Montag beschlossen, was Präsident Macron und Kanzlerin Merkel im Vorfeld zu Protokoll gaben, dürfte nicht nur der bilateralen Kooperation, sondern ganz Europa neuen Schwung geben.

Macron hatte vorgelegt, Merkel ist, ermuntert von der SPD, nun einen größeren Schritt auf ihn zugegangen: Deutschland erklärt sich bereit, der EU neue Spielräume etwa bei Investitionen und einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik zu geben. Beiden Seiten hilft die Dynamik: Macron braucht den europäischen Erfolg, damit die Franzosen die Mühen innenpolitischer Reformen ertragen. Und Merkel ist froh, dass sie nicht mehr allein die Führungsrolle in der EU wahrnehmen muss.

Das alles heißt freilich nicht Einigkeit in allen Bereichen. In zentralen Punkten, bei der Rolle des Staates etwa, dem Verhältnis von Solidarität einerseits, gesunden Staatsfinanzen andererseits, sind die Differenzen groß. Viele der Ideen, die Macron zur Reform der Eurozone vorgelegt hat, sind in Deutschland kaum mehrheitsfähig. Aber das ist gerade die Stärke dieser Beziehung: Der deutsch-französische Motor hat in der EU nie einen Harmonieautomaten angetrieben, sondern immer eine Kompromissmaschine zum Laufen gebracht. Paris und Berlin haben oft stellvertretend Gegensätze ausgetragen – wenn sie sich einigten, standen die Chancen für eine Einigung in ganz Europa gut.