„Der Nachwuchs will endlich teilhaben an Irans Reichtum, den sich korrupte Kleriker gegenseitig zuschanzen.“

Zündeln ist gefährlich, schnell kann sich ein kleines Feuer am Ende zu einem verheerenden Flächenbrand weiten. Das mussten jetzt auch Irans Hardliner erleben, als sie letzte Woche mit ein paar gezielten lokalen Protesten die Unzufriedenheit mit der Regierung von Hassan Ruhani schüren wollten. Doch binnen Tagen erwuchs daraus eine seit vielen Jahren beispiellose Welle an Demonstrationen, die sich nun ebenfalls – wie schon während der Grünen Revolution 2009 – gegen die fundamentale Konstruktion der Islamischen Republik und gegen die Schmarotzer-Clique an ihrer Spitze richtet. Der Nachwuchs will endlich teilhaben an den Freiheiten seiner Altersgenossen in anderen Ländern und an Irans Reichtum, den sich seit Jahrzehnten korrupte Kleriker und ihre Machtzirkel im Namen Allahs gegenseitig zuschanzen.

Aber auch der außenpolitische Befreiungsschlag, der dem moderaten Präsidenten Ruhani 2015 mit dem Atomvertrag gelang, kommt bei seinen Landsleuten bisher nicht in deren Alltagsleben an. Stattdessen machen seine inneriranischen Gegner mit ihren Raketentests und ihrer aggressiven regionalen Hegemonialpolitik alle Aussichten auf langfristige Entspannung kaputt. Wie es in den nächsten Wochen weitergeht, kann derzeit niemand sagen. Wahrscheinlich werden die Proteste den Gottesstaat auch diesmal nicht aus den Angeln heben. Denn mit Syrien steht dem iranischen Volk inzwischen genau vor Augen, in welch apokalyptischer Schlächterei friedliche Reformforderungen im Nahen und Mittleren Osten münden können.