Der Schulz-Zug ist vorerst gestoppt. Jetzt ist ein NRW-Sieg für die SPD Pflicht

Am Ende waren die Erwartungen der Sozialdemokraten an ihren Superstar doch zu groß. Nach dem furiosen Start des neuen SPD-Chefs und Kanzlerkandidaten hat der „Schulz-Zug“ jetzt sechs Wochen nach der Saarland-Wahl erneut einen Halt eingelegt. Oder vielmehr eine unplanmäßige Vollbremsung am Bahnhof Kiel.

Überraschend haben sich die Wähler in Schleswig-Holstein mehrheitlich für den bundesweit ziemlich unbekannten Daniel Günther entschieden. Er ist der Überraschungssieger des Sonntags und wird die CDU, die zwischenzeitlich ganz schön müde wirkte, neu beflügeln. Für die SPD, die von Anfang an zu siegessicher war, ist das Wahlergebnis ein schwerer Rückschlag und ein deutliches Warnsignal kurz vor der wichtigen Wahl im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Aber woher kommt eigentlich dieser Stimmungsumschwung? Wie kann einem so spät gestarteten Kandidaten wie dem CDU-Mann Daniel Günther, ein solch überraschender Wahlerfolg gelingen?

Die Antwort auf diese Frage könnte überraschend einfach sein: Der Wähler ist zunehmend ungeduldig mit der etablierten Politik und höchst dankbar für neue Akteure. Wovon auch Martin Schulz noch vor wenigen Wochen profitierte, kam jetzt Daniel Günther zu Gute: Ein frisches Gesicht punktet heute schneller beim Wähler und lässt sogar langjährige Amtsinhaber über Nacht ganz schön alt aussehen.

Aber natürlich ist die Schlappe von Kiel nicht die Schuld von SPD-Chef Martin Schulz. Amtsinhaber Torsten Albig, der die 2,8 Millionen Schleswig-Holsteiner fünf Jahre lang regierte, hat seinen jungen Herausforderer und die Unzufriedenheit vieler Landsleute sträflich unterschätzt. Offenherzige Bekenntnisse in der „Bunten“ zur neuen Lebensgefährtin und über die Ehefrau, eine chaotische Schulpolitik sowie ein Berg Schulden haben wohl den Rest besorgt.

Es ist offenkundig, dass die Treue des Wählers zu seinen traditionellen Favoriten schwindet. Die Parteien mögen dies beklagen oder als ungerecht empfinden, die Demokratie wird aber spannender. Alles ist in Bewegung, selbst eine vermeintliche Übermacht. Was viele schon vergessen haben: Es war Torsten Albig, der noch im Sommer 2015 seiner Partei in tiefer Depression riet, auf einen eigenen SPD-Kanzlerkandidaten zu verzichten, weil Kanzlerin Angela Merkel schließlich unschlagbar sei.

Dieses Auf und Ab der Wählergunst spiegelt sich auch in den Umfragen. Besonders Grüne und die AfD erlebten in den vergangenen Monaten eine muntere Achterbahnfahrt in der Beliebtheit. Das macht es heute ganz schwer, die anstehenden Wahlen zu prognostizieren.

Fest steht aber: Jetzt müssen der Rheinländer Martin Schulz und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft für die SPD den Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen holen. Drei Wahlniederlagen in Folge wären für die Sozialdemokraten ein Desaster. Eine solche Klatsche könnte auch der eloquente Martin Schulz nicht ohne Schaden wegargumentieren.

Der SPD-Parteivorsitzende wird nach der Schleswig-Holstein-Wahl auch sein bisheriges Konzept für den Wahlkampf überprüfen müssen. Das Lied von der sozialen Ungerechtigkeit in Deutschland hat zumindest im Norden zu wenige verführt, SPD zu wählen. Das ist auch eine Taktik-Schlappe für die Parteilinke, die mit Parteichef Ralf Stegner im Norden seit Jahren den linkesten Linksaußen am Start hat. Auch sein Gewicht in der Partei wird nach diesem überraschenden Wahlsonntag sicher schrumpfen.