Braunschweig. Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen sieht sich einer Herkulesaufgabe gegenüber. 25 Mitarbeiter gehen Ungereimtheiten bei Abrechnungen nach.

Auch wenn die Zahl der Corona-Teststellen, die kostenlose Bürgertests anbieten, zuletzt gesunken ist: Die engmaschige Kontrolle der Abrechnungen der 3983 Testzentren allein in Niedersachsen bedeutet einen riesigen Aufwand. „Nicht hinter jedem Prüfanlass steht ein Betrugsfall“, erklärt Uwe Köster, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Gleichwohl müsse man jeder Ungereimtheit nachgehen – „und das in einem enorm großen Umfang“. Schließlich werde täglich hunderttausendfach getestet. Die KVN ist vom Staat beauftragt, für die Teststellen-Betreiber alle Coronatests abzurechnen. Das Geld dafür kommt vom Bund.

Trotz akribischer Prüfung kommt es immer wieder zu Fällen von Abrechnungsbetrug – zuletzt offenbar sogar vermehrt. Von den entsprechenden Ermittlungsverfahren im „unteren zweistelligen Bereich“, die das Landeskriminalamt für das erste Quartal 2022 meldet, entfällt aber laut Polizeidirektion Braunschweig nur ein einziger Verdachtsfall auf unsere Region.

Ende März hatten die Polizei Hannover und Staatsanwaltschaft Hildesheim nach monatelangen Ermittlungen Wohnungen, Gewerbeobjekte und als mobile Testzentren genutzte Fahrzeuge durchsucht. Eine 32 Jahre alte Betreiberin mehrerer Teststellen wird verdächtigt, über Monate Geld für nicht durchgeführte Corona-Tests kassiert zu haben. Ihr wurde den Behörden zufolge bereits ein sechsstelliger Betrag ausgezahlt.

Auch eine Geschäftsführerin mehrerer Corona-Teststationen aus dem ostfriesischen Aurich soll nicht durchgeführte Tests über die KVN abgerechnet und so einen Schaden von über einer Million Euro angerichtet haben. Die 31-Jährige werde verdächtigt, sich zu Unrecht bereichert zu haben, teilte die Polizei Ende März mit. Das Geld habe durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg vorläufig gesichert werden können.

„Nicht hinter jeder Abweichung steckt eine böse Absicht“

Dass es bei mutmaßlichen Betrugsfällen überhaupt zur Auszahlung kommt, versucht die KVN bereits im Vorfeld abzuwenden. Etwa indem die abgerechneten Tests mit den Zahlen abgeglichen werden, die den Gesundheitsämtern gemeldet werden. „Wenn ein Betreiber 800 Tests abrechnen will, die Kommune aber nur von 600 Tests weiß, ist das natürlich ein Anlass, nachzufragen“, sagt Köster. Oft stecke hinter kleineren Fehlern oder Ungereimtheiten keine böse Absicht. Es gebe schließlich viele mögliche Fehlerquellen. „Manchmal ist ein verrutschtes Komma oder ein banaler Zahlendreher schuld.“ Oftmals genügten die Abrechnungen der Betreiber auch nicht den Anforderungen – etwa weil Belege wie Listen der getesteten Personen fehlten.

Gerade deshalb jedoch und aufgrund der schieren Zahl der Tests ist der Mehraufwand für die KVN immens. 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind schwerpunktmäßig mit dem Prüfen der Abrechnungen befasst. „Dieses Prüfen bedeutet: nachfragen, aufklären, mahnen, Fristen setzen, Unterlagen nachfordern und erneutes Prüfen“, so Köster. Während die ersten Schritte noch per Computer erfolgten, übernähmen bei Ungereimtheiten die menschlichen Bearbeiter. In manchen Fällen müssten Listen sogar von Hand abgeglichen werden – teils zehntausende Namen von Getesteten pro Betreiber. „Das ist ein immenses Arbeitsaufkommen“, fasst er zusammen, „und wir haben mehrere hundert solcher Fälle, die zur Prüfung anstehen“.

In Einzelfällen hitzige Wortwechselmit Betreibern von Testzentren

Und mit einer Prüfung ist es nicht immer getan. „In Einzelfällen kommt es zu einer regelrechten Kaskade von Widersprüchen und Bescheiden“, berichtet Sprecher Köster. Wenn die KVN in Einzelfällen zum Schluss komme, dass die geforderte Summe nicht ausgezahlt werden kann, sei es schon vorgekommen, dass verärgerte Testzentrum-Betreiber bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anriefen und lautstark Protest einlegten. „Da kam es schon zu hitzigen Wortwechseln. Im Zweifelsfall können solche Fälle bis vors Gericht gehen.“

Auch wegen solcher außergewöhnlichen Belastungen ist die KVN Köster zufolge froh, wenn sie die Aufgabe, die Corona-Tests abzurechnen, so bald wie möglich wieder los ist. „Wir hoffen, daher dass die Testverordnung am 30. Juni, wie vorgesehen, wieder ausläuft uns wir nicht mehr einer solchen Masse von Tests zu tun haben.“

Klar ist aber schon jetzt: Die Abrechnungen der Corona-Teststellen wird die Kassenärztliche Vereinigung noch lange auf Trab halten. „Auch wenn wir voran kommen: Wir werden auf jeden Fall bis Ende 2024 brauchen, um den Stapel abzuarbeiten, der ja bislang auch noch weiter wächst“, sagt Köster. „Mindestens.“

Die Testverordnung des Bundes sieht vor, dass die Unterlagen der Corona-Testzentren nur bis zu eben jenem Zeitpunkt – Ende 2024 – aufbewahrt werden und bis dahin abgearbeitet sein müssen. Und was, wenn es bis dahin noch nicht geschafft ist? Dazu möchte Köster vorerst nichts sagen. Außer: „Es wird auf jeden Fall eng – trotz hochmotivierter und hoch kompetenter Mitarbeiter“.