Braunschweig. Der Polizeigewerkschafter Dietmar Schilff wünscht sich mehr Rückendeckung. Der Hass auf die Vertreter des Staates sei größer geworden.

Auf einer Streifenfahrt sind in der Nacht auf Montag im Kreis Kusel (Rheinland-Pfalz) zwei Polizeibeamte getötet worden. Die Schockwelle geht über Rheinland-Pfalz hinaus, auch übers Saarland, woher die Getöteten stammten. Über Gewalttaten gegen die Polizei sprachen wir mit Dietmar Schilff, der als Landesvorsitzender Niedersachsen (und stellvertretender Bundesvorsitzender) seit Jahren in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine führende Rolle spielt.

Herr Schilff, die GdP Rheinland-Pfalz hat mitgeteilt, dass die im Landkreis Kusel erschossene Polizeianwärterin 24 Jahre alt war und ihr getöteter Kollege 29. Wie haben Sie persönlich diese furchtbare Nachricht aufgenommen?

Tief bestürzt, das kann ich nicht anders sagen. Auch ganz unabhängig von der Frage nach dem Alter der Opfer hat so ein Fall große Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei und auf die Gefühle der Polizistinnen und Polizisten. Ich bin wirklich emotional sehr angefasst. Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen der beiden Getöteten. Es ist ein Albtraum – in erster Linie für die Familien, aber auch für alle Beschäftigten der Polizei. Wir sehen, wie schwierig diese Arbeit ist. Und wir sehen, mit welchen Bedrohungen wir leben müssen.

Ihre Gewerkschaft, zuletzt in Thüringen, weist regelmäßig darauf hin, dass auch vor dem Hintergrund solcher Bedrohungen die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für den Polizeidienst rückläufig ist, partiell sogar nicht mehr ausreichend. Fürchten Sie, dass solche Untaten wie jetzt die in Rheinland-Pfalz dieses Problem verschärfen?

Alle, die sich für eine Beschäftigung im Polizeidienst entscheiden, wissen, dass dieser Dienst gefährlich ist. Sie wissen aber auch, dass die Polizei als solche alles dafür tut, dieses Risiko so klein wie möglich zu halten. Trotzdem hat es leider immer wieder solche Fälle gegeben. Nein, ich gehe nicht davon aus, dass so ein schrecklicher Fall wie der aktuelle junge Menschen abschreckt, sich für den Polizeidienst zu entscheiden. Es gibt bei uns in Niedersachsen erfreulicherweise derzeit auch keinen Engpass.

Beim Thema Gewalt gegen Polizisten in Niedersachsen fällt vielen die Geschichte aus Hameln ein, als vor Jahren 14 Polizistinnen und Polizisten beim Angriff durch eine Großfamilie verletzt wurden. Ist der Beruf gefährlicher geworden?

Ja, der Beruf ist insgesamt gefährlicher geworden. Mehrere Gruppen haben sich radikalisiert, das kann man so generell sagen. Aus dem Lagebild des Bundeskriminalamtes geht hervor, dass es im Jahr 2020 über 84.000 Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte in Deutschland gegeben hat – wie zum Beispiel Körperverletzung und Widerstandshandlungen. All diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren leider stark angestiegen. Deshalb ist es mir wichtig, deutlich zu machen, dass Gewalt gegen die Polizei auch immer Gewalt gegen die Gesellschaft ist und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Ich würde mich freuen, wenn sich noch mehr Menschen so klar und deutlich wie möglich davon distanzieren.

Ich habe in der Zusammenfassung des von Ihnen erwähnten BKA-Berichts gelesen, dass von diesen Experten die „bestmögliche Ausbildung“ und eine „optimale Ausrüstung“ gefordert wird. Sieht es in dieser Hinsicht gut aus?

Ja, zum Beispiel in Niedersachsen gibt es Kommissionen, die sich ernsthaft mit all diesen Fragen befassen, mit der Ausbildung, zum Beispiel, aber auch mit der Uniform und anderen Details der Ausrüstung. Das kostet Geld, das ist uns klar, aber das ist notwendig – und das geschieht auch.

Wie ist intern der Umgang mit schrecklichen Fällen wie dem aktuellen? Gibt es Möglichkeiten, sich auszusprechen?

Natürlich wird intern viel darüber geredet. Es gibt seit gut zwanzig Jahren regionale Beratungsstellen, an die sich jede Kollegin und jeder Kollege wenden kann. Dort stehen Fachleute für die Gespräche zur Verfügung. Das ist wichtig.

Umfragen zufolge haben 85 Prozent der Bevölkerung volles Vertrauen in die Polizei. Niedersachsens Innenminister Pistorius hat vor zwei Jahren in diesem Zusammenhang erwähnt, es gebe aber auch „bei einigen Gruppen geradezu Hass auf den Staat und dessen Vertreter“. Sehen Sie das auch so? Wie erklären Sie sich diesen Hass?

Erst einmal möchte ich sagen, dass ich mich über solche Umfrageergebnisse freue. 85 Prozent haben also den Eindruck, dass die Polizei eine gute Arbeit macht und stehen hinter ihrer Polizei. Was den Hass angeht und das, was Polizistinnen und Polizisten auf der Straße von den wenigen anderen aushalten müssen, wiederhole ich: Wünschenswert ist ein klares Bekenntnis von einzelnen Menschen, von Gruppen und Vereinen, dass sie diesen Hass nicht akzeptieren. Wir können so froh sein, dass wir in einem Staat wie diesem leben und dass hier jeder seine Meinung sagen kann. Das gilt auch für die montäglichen „Spaziergänge“, die für uns natürlich keine Spaziergänge sind, sondern unangemeldete Demonstrationen. Auch da – und übrigens auch reichlich in Sozialen Netzwerken – wird unser Staat, wird unsere Grundordnung immer wieder in Frage gestellt und sich an Polizistinnen und Polizisten abreagiert. Das ist, so legitim Kritik grundsätzlich ist, in dieser Weise nicht hinnehmbar. Und da wünsche ich mir noch mehr Unterstützung.