Braunschweig. Unsere Umfrage zeigt, dass „die Wirtschaft“ nicht gegen die schärferen Corona-Regeln am Arbeitsplatz ist. Die Frage aber ist: Wie soll das laufen?

Die Sache ist noch nicht in trockenen Tüchern, aber weit mehr als ein Gerücht. Die Inzidenzen steigen rapide. Die Deutschen müssen sich darauf einstellen: „3G“ am Arbeitsplatz kommt. Beschäftigte, die weder eine Corona-Impfung noch einen Genesenen-Status haben, werden sich also täglich auf Corona testen lassen müssen. Das wäre ein markanter Unterschied. Bisher müssen Arbeitgeber laut Arbeitsschutzverordnung allen Beschäftigten, die nicht nur im Homeoffice arbeiten, mindestens zweimal in der Woche Corona-Tests anbieten. Es gibt aber keine Testpflicht für Mitarbeiter.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, bestätigte am Dienstag den entsprechenden Verhandlungsstand der kommenden rot-grün-gelben Koalition. Es gebe nun einen Prüfauftrag an das Arbeitsministerium, wie dies umzusetzen sei.

Tja, und nun? Gleich nach diesen eher vorsichtigen „Ampel“-Ankündigungen scheppert es schon recht ordentlich. Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das geplante Corona-Gesetz von SPD, Grünen und FDP löst keines der vorhandenen Probleme, schafft dafür aber neue. Offenbar können oder wollen momentan weder die amtierende Bundesregierung noch die Ampel klare Entscheidungen treffen. Anstatt den Mut zu einer einheitlichen 2G-Regel wie in Österreich aufzubringen, lässt man die Bundesländer weiter nach Gutdünken gewähren.“

Jerger schimpfte aber nicht nur generell, sondern stellte auch die folgende Frage: „Wie soll etwa die Einhaltung der 3G-Regel im Unternehmen kontrolliert werden, wenn der Arbeitgeber nicht den Impfstatus der Beschäftigten abfragen darf? Deshalb fordern wir das Auskunftsrecht für Arbeitgeber zum Impfstatus ihrer Mitarbeiter.“ Für Beschäftigte, die Umgang mit vulnerablen Gruppen hätten, müsse es eine Impfpflicht geben.

Ist das eigentlich Arbeitszeit?

Das Ergebnis unserer Umfrage unter Wirtschaftsvertretern in unserer Region hat weniger fundamentale Kritik, sehr wohl aber viele Fragen nach dem Wie zu Tage gefördert. Demnach ist „die Wirtschaft“ keineswegs gegen „3G“ am Arbeitsplatz – sofern in Präsenz gearbeitet wird, muss man stets hinzufügen - aber man hat Sorge sowohl bezüglich der Organisation der Tests und ihrer Nachweise, bezüglich der anfallenden Kosten und auch bezüglich der Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, den Impfstatus des Arbeitnehmers überhaupt abzufragen. Bisher können ja nur Beschäftigte in Kitas, Schulen und Pflegeheimen vom Arbeitgeber gefragt werden, ob sie geimpft sind.

Genau hieran stößt sich zum Beispiel Florian Bernschneider, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Region Braunschweig: „Ohne die Auskunftspflicht wird sich das alles nicht machen lassen. Mit der Geheimniskrämerei muss Schluss sein“, sagte er – zumal man in kleineren Betrieben ohnehin übereinander Bescheid wisse.

Aber auch die organisatorischen Fragen sind laut Bernschneider nicht ohne: Ist die Zeit, in der ein Angestellter sich darum kümmert, eigentlich Arbeitszeit? Überhaupt könne Corona-Schutz am Arbeitsplatz nicht bedeuten, dass die Arbeitgeber stets die Rechnungen bezahlen.

Vor allem für Firmen mit 50 bis 80 Mitarbeitern könnten die organisatorischen Fragen heikel sein, findet auch der Wolfenbütteler Holger Bormann, Vorsitzender der Mittelstandsunion Niedersachsen. „Die großen Unternehmen zum Beispiel in Salzgitter werden das schon hinbekommen, aber wie ist das beim Dachdecker?“, fragte er. Und dennoch betonte Bormann, dass er im Sinne eines großen Ziels durchaus Verständnis für die Verschärfung der Regeln hat. „Wir müssen einen weiteren Lockdown verhindern. Das ist wirklich entscheidend.“

Ganz ähnlich ist die Einstellung des Handelsreferenten (und Corona-Verordnungs-Experten) der Industrie- und Handelskammer Braunschweig, Christian Scheffel. „Natürlich ist es für die Unternehmen von großer Bedeutung, ihre Arbeitgeber vor Infektionen zu schützen“, fügte er hinzu. Wirklich schlimm seien Betriebsschließungen und Produktionsausfälle, so würden es ihm Unternehmer immer wieder sagen.

Und was sagen die Gewerkschaften? Aus Sicht des DGB-Bezirks Südostniedersachsen äußert sich Michael Kleber vorsichtig zum Thema. „Es gibt bei uns noch keine abgeschlossene Meinungsbildung“, meinte er zu den heiklen Fragen, wie mit Impfskeptikern in Betrieben umzugehen ist und wie es um die Frage nach der Auskunftspflicht steht. Und was denke er persönlich, nicht jetzt als Funktionär? „Die Pandemie ist eine extreme Herausforderung. Ich persönlich finde den Impfschutz entscheidend – und ich denke, wir müssen neue Wege gehen“, sagte Kleber.

Und wer den Test verweigert?

Solche Sätze zeigen, wie haarig die pandemischen Fragen sind, nicht nur, aber eben auch für Gewerkschaften. Salopp gesagt: Es kann halt viel Ärger geben. „Man darf nicht vergessen, dass es um ein höchst sensibles Thema geht“, sagte der Arbeitsrechtler Prof. Horst Call von der Ostfalia-Hochschule. Grundsätzlich lautet Calls Einschätzung, dass der Gesetzgeber „3G“ am Arbeitsplatz schon durchsetzen könne, die Umsetzung aber werde sehr, sehr schwierig. „Gibt es eigentlich genügend Tests? Wer macht das vor Ort? Wie werden sich die Test-Preise entwickeln? Da stellen sich noch viele Fragen, wir sind noch lange nicht am Ziel.“

Calls Arbeitsrechts-Kollege, der Berliner Anwalt Peter Meyer, hält es für vorstellbar, dass diejenigen, die sich Tests verweigern, mit einer Abmahnung oder gar im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen müssen. Die Weigerung könnte als Pflichtverstoß gewertet werden.

Um nicht mit solchen Unkenrufen, sondern mit einer eher aufmunternden Bemerkung zu schließen, sei noch einmal der Wolfenbütteler Bormann von der Mittelstandsunion mit Blick auf die bis September in Niedersachsen geltende tägliche Testpflicht an den Schulen zitiert: „Die Kinder haben es geschafft. Die Erwachsenen werden es auch schaffen.“