Braunschweig. Florian Rehm zählt bundesweit zu den Groß-Spendern. Kurz vor der Wahl spendet wie Rehm auch ein Göttinger Unternehmer an die FDP.

Der Wahlkampf wird heißer, auch finanziell: Immer mehr Unternehmer schlagen sich auf die Seite einzelner Parteien – auch aus unserer Region. Florian Rehm, der Mehrheitsgesellschafter und Aufsichtsratschef von Jägermeister, hat erneut große Summen an Parteien gespendet. Weil Ende September die Bundestagswahl ansteht, hat der Jägermeister-Erbe aus Wolfenbüttel besonders viel gespendet: mindestens 170.000 Euro.

Rehm hat das Geld verteilt. 70.000 Euro erhielt die FDP, jeweils 50.000 Euro gingen an die CDU und die Grünen. Laut Rehms persönlichem Sprecher Jürgen Homeyer spendete der Kräuterlikör-Hersteller auch an die SPD. Wie viel, das wollte Homeyer nicht sagen. Auf jeden Fall lag die Summe für die SPD unter 50.000 Euro, sonst hätte sie – wie die anderen Summen an die FDP, die Grünen und die CDU – auf den Seiten des Bundestags direkt veröffentlicht werden müssen. So steht es im Parteiengesetz.

Homeyer sagte auf Anfrage: „Herrn Rehm ist Demokratie und die demokratische Vielfalt sehr wichtig. Er unterstützt seit Jahren Personen und Parteien.“ Als die FDP, die Rehm offenbar sehr nahe steht, zwischen 2013 und 2017 nicht im Bundestag vertreten war, habe der Wolfenbütteler die Liberalen besonders unterstützt, so Homeyer. „Herr Rehm macht das von den jeweiligen Parteiprogrammen und Personen abhängig“, sagte Homeyer. Näher wollte er nicht darauf eingehen. Eine Gegenleistung erwarte Rehm aber nicht.

Rehm spendete häufiger große Beträge an die FDP

So viel spendeten Unternehmer und andere an die Parteien.
So viel spendeten Unternehmer und andere an die Parteien. © Jürgen Runo

Rehm unterstützte auch nach 2017 vor allem die FDP. Laut der Transparenz-Organisation Lobbycontrol spendete Rehm 2018 bereits 100.000 Euro an die FDP. Und laut der Transparenz-Organisation abgeordnetenwatch.de spendete Rehm 2019 in drei Einzelspenden insgesamt 80.000 Euro an die Liberalen. Weil die Einzel-Spenden unter 50.000 Euro lagen, wurden sie nicht direkt veröffentlicht. Rehm spendete außerdem nicht unter seinem Namen, sondern über seine Firmen: Savarpa Immobilien, Huskelapp Vermögensverwaltung und Hestesko Vermögensverwaltung.

Dieses Mal also das offene Visier. Rehm steht zu seinen Parteispenden und ist auf den Seiten des Bundestages mit seinem Klarnamen und seiner privaten Adresse in Wolfenbüttel veröffentlicht.

Göttinger Unternehmer will „Zeichen setzen“ und spendet an die FDP

So hat es auch der Göttinger Tillmann Miritz gemacht. Der Unternehmer spendete 51.000 Euro für die FDP, steht mit Klarnamen und privater Adresse auf den Seiten des Bundestages. Er selbst sei parteipolitisch nicht aktiv. „Ich will aber Position beziehen und bin überzeugter Marktwirtschaftler“, sagte Miritz auf Anfrage. Der Göttinger führt ein mittelständisches Unternehmen, MCI Miritz. Das Chemie-Unternehmen verarbeitet Zitrusfrüchte, erzeugt ätherische Öle.

Miritz sagte, er wolle mit seiner Spende an die FDP „Engagement angesichts der Verschuldungsspirale während der Pandemie zeigen“. Die FDP kritisierte wiederholt Milliarden-Pakete von Bund und Ländern. Am Telefon erwähnte Miritz einige Male die Klimakrise. Eine Spende für die Grünen sei dennoch nicht für ihn infrage gekommen, sagte der Göttinger. „Die Grünen bedienen sich antiquierter planwirtschaftlicher Instrumente“, sagte Miritz. „Ich habe erstmalig die FDP unterstützt und stehe dazu.“

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Der Göttinger sagte, dass die FDP während der Pandemie individuelle Freiheiten von Bürgern und Unternehmern verteidigt hätte. „Die FDP braucht die Mittel, um im Wahlkampf gegen die großen Parteien eine Chance zu haben. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es einen Hang zu Rot-Grün. Ich möchte, dass die FDP sich Gehör verschaffen kann.“

FDP-Abgeordneter: Wir brauchen für den Wahlkampf jeden Cent

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle (FDP) ist in Wolfenbüttel geboren, hat nun in Göttingen seinen Wahlkreis. Man kenne sich, sagte er mit Blick auf Rehm und Miritz. „Die beiden Spenden wurden nicht von mir eingeworben“, sagte Kuhle. „Das freut mich aber total.“ Spenden seien ein „integraler Bestandteil der Parteienfinanzierung“ – gerade für eher kleine Parteien wie die FDP. „Wir können einen Wahlkampf nicht alleine durch Mitgliedsbeiträge stemmen“, so Kuhle. Das gelte gerade jetzt, denn Mitte September finden in Niedersachsen Kommunalwahlen statt, zwei Wochen später die Bundestagswahl. Kuhle ist Generalsekretär der FDP in Niedersachsen, sagte: „Wir drehen für die Wahlen jeden Cent für jeden Kuli oder jeden Flyer um.“

Kuhle machte gar keinen Hehl daraus, dass ein Teil seiner Arbeit darin bestehe, Spenden einzuwerben – egal ob für die Bundespartei, den Landesverband, den FDP-Kreisverband Göttingen oder für seinen eigenen Wahlkampf. „Da handelt es sich oft um geringe Beträge, aber auch das hilft.“ Er selbst spende jedes Jahr 15.000 bis 20.000 Euro an diverse Parteigremien.

Es überrasche ihn nicht, dass die FDP stetig Spenden von Unternehmern und Startups erhalte. „In den Augen vieler haben wir eine gewisse Wirtschaftskompetenz“, sagte Kuhle. Gerade die Kür von Armin Laschet zum CDU-Parteichef und Kanzlerkandidaten der Union habe das noch forciert. Friedrich Merz hat einen näheren Draht zur Wirtschaft – positiv ausgedrückt.

Spenden spielen im Wahlkampf eine große Rolle

Laut Kuhle „geht es gar nicht, dass Geldspenden mit konkreten Gegenleistungen verbunden werden“. Gerade die FDP habe aus der Vergangenheit gelernt. Der frühere FDP-Spitzenpolitiker Jürgen Möllemann sammelte illegale Parteispenden ein. Die FDP musste Millionen zahlen. „Die Transparenz-Kriterien werden bei uns nun doppelt und dreifach gecheckt“, so Kuhle.

Spenden spielen im Wahlkampf also eine große Rolle. Allein im Jahr 2019 spendeten Firmen und Privatpersonen mehr als 73 Millionen Euro. Im Jahr der Bundestagswahl 2017 flossen sogar fast 90 Millionen. Mit Abstand das meiste Geld ging an CDU und CSU.

In den meisten Fällen blieb verborgen, woher das Geld kam. Denn Parteien müssen – wie schon erwähnt – Spenden erst über 50.000 Euro sofort veröffentlichen. Spenden über 10.000 Euro werden erst in den Rechenschaftsberichten der Parteien publik gemacht. Dies geschieht frühestens mit anderthalb Jahren Verspätung, also wenn eine Wahl längst entschieden wurde. Die Namen vieler Spender für die Bundestagswahl 2021 werden wir erst 2023 erfahren.

Es gibt noch eine weitere Transparenzlücke. Spenden können auch direkt an Kandidaten gehen. Wer bereits im Bundestag sitzt, muss solche Abgeordnetenspenden ab 10.000 Euro auf der Internetseite des Bundestages veröffentlichen. Alle Beträge darunter müssen nicht gemeldet werden.

Politologe: Einfluss der Spender kann nicht ausgeschlossen werden

Der Parteienforscher Professor Oskar Niedermayer sagte auf Anfrage, dass er deshalb vor allem gestückelte Spenden für „problematisch“ halte. Politischer Einfluss der Spender könne nicht ausgeschlossen werden. „Nachweisen lässt sich das sehr oft nicht.“ Einen bekannten Fall gab es. Und wieder war die FDP mittendrin. Sie erhielt Anfang 2010 einen neuen Spitznamen: „Mövenpick-Partei“. Die Liberalen hatten sich für eine Senkung der Mehrwertsteuer im Hotelgewerbe eingesetzt. Zuvor erhielt die Partei eine Millionenspende des Hotel-Unternehmers August von Finck.

Doch laut Politik-Professor Niedermayer stecken Parteien in einem Dilemma: „Sie müssen sich finanzieren, es gilt die 50-Prozent-Regel. Parteien können sich nicht nur vom Staat finanzieren lassen.“ Auch das sei problematisch, eine gewisse Unabhängigkeit sei vonnöten.

Dass der Wolfenbütteler Rehm an mehrere Parteien spendet, nannte Niedermayer „Pflege der politischen Landschaft“. Man weiß ja vorher nie so genau, wer die nächste Regierung bildet.

Auffällig ist, dass nicht nur traditionell die FDP und die Union Großspenden erhalten, neuerdings auch die Grünen. Sie bekamen im April von Software-Entwickler Moritz Schmidt aus Mecklenburg-Vorpommern eine Million Euro – die höchste Parteispende ihrer Geschichte. Für Aufsehen sorgte vor wenigen Tagen die Spende über eine halbe Million Euro von zehn Startup-Unternehmern für die FDP. Die Gruppe um den Investor und TV-Star Frank Thelen erklärte in einer Pressemitteilung, „dass eine Regierungsbeteiligung der FDP die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft nachhaltig stärken würde“. Tags zuvor hatte Thelen bereits getwittert, eine rot-rot-grüne Regierung hätte „verheerende Folgen“ für den Standort Deutschland, ohne damit den weltweiten Klimaschutz voranzubringen: „Die Grünen retten unseren Planeten leider nicht.“ Noch sind es knapp drei Monate bis zur Bundestagswahl. Man darf gespannt sein, wer sich noch als Gönner einschaltet – und für welche Partei.