Ist vegane Ernährung ein teurer Marketingtrick oder ein wirksamer Weg zu besserer Gesundheit und Umweltschutz? Ein Pro und Contra

Pro Vegane Ernährung: Veganer retten die Umwelt (von Joschka Büchs)

Die Regale mit veganen Ersatzprodukten in den Supermärkten sind von Jahr zu Jahr größer geworden, die Anzahl an Veganerinnen und Veganern auch. Laut dem Ernährungsreport 2021 des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat sich der Anteil an Veganern in der deutschen Bevölkerung innerhalb des vergangenen Jahres von ein auf zwei Prozent verdoppelt. Zehn Prozent der Befragen gaben an, sich immerhin vegetarisch zu ernähren. Und das ist gut so!

Verschiedene vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte liegen auf einem Teller. All diese Grill-Lebensmittel wurden vor allem aus Pflanzen hergestellt.
Verschiedene vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte liegen auf einem Teller. All diese Grill-Lebensmittel wurden vor allem aus Pflanzen hergestellt. © dpa (ARCHIV) | Andreas Arnold

Es ist längst geklärt, dass vegane Ernährung anders als oft behauptet, nicht krank und schwach macht, sondern sogar Weltklasse-Gewichtheber (Patrik Baboumian) und -Triathleten (Brendan Brazier) auf vegane Ernährung umsteigen. Veganer haben laut Studien einen niedrigeren Blutdruck als Fleischesser und sind im Vergleich seltener von Volkskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreis-Erkrankungen betroffen.

Veganer informieren sich über ihre Ernährungsform

Das liegt unter anderem daran, dass sich Veganer meist intensiver mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen und längst wissen, welche Fallstricke ihre Ernährung birgt. Die zu geringe Zufuhr von Vitamin B2 und B12, Calcium und eventuell Eisen lässt sich durch den bewussten Konsum bestimmter pflanzlicher Lebensmittel und Supplemente ausgleichen.

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Das größte Argument für eine vegane Ernährung ist aber – neben dem Tierwohl – der Umweltschutz: Laut dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes produziert eine durchschnittliche vegane Ernährung mit rund einer Tonne CO2 pro Jahr rund zwei Drittel weniger CO2 als eine durchschnittliche Ernährung mit Fleisch (1,74 Tonnen). Übrigens wird nicht für das Soja in veganen Ersatzprodukten der Regenwald abgeholzt. Diese Monokulturen entstehen als Futter für industriell gezüchtete Schweine, Hühner und Rinder. Laut einer im Wissenschaftsjournal „Science“ veröffentlichen Oxford-Studie werden rund 83 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit werden für tierische Produkte oder Futtermittel für Tiere genutzt, doh nur . Zwar sind beispielsweise nicht alle Weideflächen auch als Ackerland für Nutztiere verwendbar, doch könnten mit weniger Konsum tierischer Lebensmittel wieder mehr Flächen sich selbst und damit der Natur überlassen werden. Das wäre wiederum ein Schritt zu mehr Artenvielfalt bei den Tieren, da so auch für die Natur wichtige Mikroorganismen und Insekten mehr Lebensraum bekämen. Je mehr Veganer oder größtenteils vegan lebende Menschen es gibt, desto besser demnach für die Umwelt. Der Klimawandel wird ohne einen erheblichen Fleischverzicht nicht aufzuhalten sein.

Contra Vegane Ernährung: Tierwohl verbessern statt Veganismus! (von Tanja Reeve)

Für mich steht fest: Vegetarische Lebensweisen verstehe ich. Beim Veganismus sträube ich mich: Es ist sowieso schon schwierig, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Das auch noch vegan zu tun, geht ins Geld.

Allein schon der Milchersatz ist teuer: Ein Liter Mandelmilch kostet in einer Drogerie 2,95 Euro je Liter. Wie kann sich eine durchschnittliche Familie so etwas leisten? Wer also in Berlin, Bochum und Braunschweig einen veganen Cappuccino trinkt und dabei auf die Kuhmilch-Trinker moralisch hinabblickt, hat sein Privileg nicht erfasst.

Von Müdigkeit bis Muskelschmerzen

Die undatierte Grafik zeigt die Haltungskennzeichnung
Die undatierte Grafik zeigt die Haltungskennzeichnung "Premium" (Stufe 4) der Initiative Tierwohl (ITW). Das von der ITW entwickelte System besteht aus vier Stufen. Die erste Stufe "Stallhaltung" entspricht lediglich den gesetzlichen Anforderungen. Bei der Stufe 4 "Premium" haben die Tiere unter anderem Auslaufmöglichkeiten im Freien, auch Biofleisch wird in diese Stufe eingeordnet. (zu dpa "Staatliches Tierwohl-Logo kommt bis zur Wahl nicht zustande") Foto: -/Initiative Tierwohl/dpa (Archiv)

Wer über Müdigkeit oder Muskelschmerzen klagt und sich ausschließlich pflanzlich ernährt, ist womöglich unterversorgt: Vegane Ernährung birgt die Gefahr der Mangelernährung. Wer sich vegan ernähren möchte, muss erstmal studieren, was alles im Essen sein muss, damit die Mahlzeiten ausgewogen sind. Das fängt mit Proteinen an, die wichtig sind für Muskelaufbau und Hormonproduktion. Vitamin B12 ist wichtig für Zellteilung, Blutbildung und Nervenfunktionen. Doch B12 gibt es in Pflanzen und Obst kaum.

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Nur tierische Produkte wie Milch und Fleisch versorgen Menschen über Lebensmittel ausreichend mit dem Vitamin. Wer sich nur von Gemüse und Obst ernährt, muss sich Vitamin B12 künstlich zuführen, ist der aktuelle Konsens der Medizin. Sonst drohen Blutarmut und neurologische Störungen, schreibt die Techniker Krankenkasse. Sie empfiehlt grundsätzlich eine ärztliche Begleitung der Umstellung auf rein pflanzliche Produkte. Das ist für mich ein Zeichen, dass dies nicht die Lösung für die Menschheit sein kann. Als moralische Alternative für vegane Ernährung als Statement für das Tierwohl befürworte ich das Engagement für artgerechte Tierhaltung, wo sie noch nicht durchgesetzt wird. Milch, Eier und Fleisch dürfen nicht aus dem Ausland importiert werden – dort können wir politisch nur wenig bewegen. Die Kontrollen in Deutschland sind streng, Familienbetriebe arbeiten gewissenhaft

Hinweis: In dem Kommentar von Joschka Büchs, das in der gedruckten Zeitung unter dem Titel „Wir brauchen mehr Veganer!“ in der Ausgabe von Samstag, 26. Juni erschien, ist dem Autor ein Fehler unterlaufen: Für Fleischproduktion werden nicht zirka 86 Prozent der weltweiten Ackerflächen gebraucht. Vielmehr werden laut einer Studie der Oxford Universität von 2018 zirka 83 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen genutzten Flächen für die Produktion von tierischen Lebensmitteln (also auch Eier, Milch und Fisch) gebraucht. Der Autor bittet diesen Fehler zu entschuldigen und hat ihn in der obigen Fassung korrigiert.