Braunschweig. Das Ministerium spricht von einem Erfolg beim Impftempo durch die Aktion. Grünen-Politikerin Byl entgegnet: Keine zusätzliche Dose wurde verspritzt.

In den Zeitungsartikeln über das Impfwochenende in Braunschweig und Peine wird übereinstimmend und richtigerweise von nicht ausreichender Impfstoffversorgung berichtet. Die Braunschweiger „griffen auf die Rationen für die kommende Woche zurück“, in Peine „schafft man das Impfwochenende am Samstag“, hieß es. Unsere Gesundheitsministerin wollte den „Turbo“ einschalten, doch das klingt für mich nach einem lahmen „Saugmotor“ mit schlechter Kompression. Und es riecht nach reiner PR.

Das schreibt uns Leser Andreas Faulhaber aus Vechelde

Zum Thema recherchierte
Dirk Breyvogel

Die Nachricht, die Landesgesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) am Montag verkündete, sollte eine gute sein. Und sie war es auch. 74.562 Menschen bekamen am 24. und 25. April in den 50 kommunalen Impfzentren einen Piks. Ein Rekordtag für Niedersachsen. An dem von der Landesregierung ausgerufenen „Impfwochenende“ wurden mehr als doppelt so viele geimpft wie am Wochenende zuvor. Behrens freute sich über den Zwischenspurt auch, weil er Niedersachsen im Ländervergleich auf Platz 8 hochschnellen ließ.

Ärger in Emden

Wie passt daher die pessimistische Einlassung des Lesers, der als Krankenpfleger im Ruhestand auch im Braunschweiger Impfzentrum engagiert ist, zu der Optimismus versprühenden Botschaft der Ministerin? Auch der Oberbürgermeister der Stadt Emden, der parteilose Tim Kruithoff, sprach gegenüber dem NDR von einer „PR-Maßnahme“. Die 870 Impfungen, die man in Emden machen konnte, hätte man auch unter der Woche geschafft, erklärte er. Stattdessen habe man vier volle Tage das Zentrum im Vorfeld schließen müssen.

Leser berichteten unserer Zeitung über Gerüchte, zwischenzeitliche Schließungen seien auch in unserer Region vorgekommen, weil schlicht die Dosen für das Impfwochenende benötigt worden sein. Die Stadt Salzgitter wird genannt, drei Tage sei das Impfzentrum geschlossen gewesen. Dort nachgefragt, zeichnet sich ein anderes Bild. Stadtsprecherin Simone Kessner spricht von „fake news“, sagt aber: „Im Impfzentrum wurde zu Wochenbeginn weniger geimpft als sonst üblich, aber geschlossen hatten wir definitiv nicht.“

Weniger Impfungen am Anfang der Woche in Salzgitter – aber keine Schließung

So zählte die Stadt am Montag, 26. April, 335 Impflinge, eine Woche zuvor waren es noch 620. Am Ende dieser Woche käme man laut Kessner aber auf eine vergleichbar hohe Anzahl an verimpften Dosen wie in der Woche zuvor. Inwieweit die zusätzliche Lieferung des Vakzins von Johnson & Johnson in die Rechnung mit hineinspielt, bleibt jedoch unklar. Der limitierende Faktor bei den Impfungen sei weiter der fehlende Impfstoff, erklärt Kessner. Das hatte auch Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) moniert, als er im Vorfeld des Impfwochenendes seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt hatte, auch am Sonntag das Impfzentrum aufzuschließen. Klingebiel vergaß aber nicht zu betonen, dass das Impfen am Sonntag mehr einen „symbolträchtigen Charakter“ habe. Denn: „Die Stadt hat bisher nicht mehr Impfstoff erhalten als ohnehin für die kommenden Tage anvisiert war.“

So steht natürlich im Raum, dass Termine auf das besondere Impfwochenende vorverlegt worden waren. In Peine und Celle, das bestätigten Zahlen das Landesgesundheitsministeriums, die unserer Zeitung vorliegen, reichten die gelieferten Dosen nur für Impftermine am Samstag. Insgesamt sei man mit der Arbeit in den kommunalen Impfzentren der Region Braunschweig aber zufrieden. Sie würden, unabhängig vom Wochentag, die gelieferten Dosen rasch verimpfen, heißt es aus dem Ministerium in Hannover.

Ministeriumssprecherin: Mehr Tempo und Schutz der Über-70-jährigen

Imke Byl, Grünen-Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Gifhorn, ärgert sich über das Selbstlob der Ministerin. „Das Impfwochenende ist ein Nullsummenspiel. Es wurde keine Dose mehr verimpft als die, die sowieso schon verplant gewesen waren“, ist Byl überzeugt. Zwar hätten keine Termine im Nachhinein abgesagt werden müssen, jedoch seien einfach weniger Termine für die anschließenden Wochentage vereinbart worden. „Es war schon im Vorfeld klar, dass es nur in einigen wenigen Impfzentren wie in Wilhelmshaven zusätzliche Dosen gibt, andere Impfzentren haben sich teilweise aus benachbarten Kommunen Impfdosen besorgt, um an diesem Wochenende durchimpfen zu können“, erklärt Byl. Sie finde es erschreckend, dass dem Ministerium hier ein PR-Gag wichtiger sei, als sich um die Aufgaben zu kümmern, die seit Beginn der Impfkampagne nicht richtig funktionierten. „Wir haben in dieser Woche wieder erlebt, wie die Menschen über 60, die erst aufgefordert wurden, sich für einen Termin zu melden, bei der Impf-Hotline des Landes nicht durchkamen oder in Endlosschleifen landeten. Und auf den Internet-Portalen war es auch nicht viel besser.“

Die Kritik am Impfwochenende will Anne Hage, Sprecherin im Landesgesundheitsministerium, so nicht stehen lassen. Man könne nicht von Taschenspieler-Tricks sprechen. „Ein Ziel des Impfwochenendes war es, die Warteliste der Über-70-jährigen schnell zu leeren.“ Das sei gelungen.

Stadt Braunschweig: Mehr Personen geimpft

Die Stadt Braunschweig ist mit dem Impfwochenende zufrieden. Man habe 1300 Personen mehr geimpft, als es ohne die Aktion gegeben hätte, sagt sie. Auch im Nachgang hätten Termine nicht reduziert werden müssen. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es weiter: „Landesseits bestand für das Impfzentrum Braunschweig die Vorgabe, an den beiden Wochenendtagen jeweils 1092 Impfdosen zu verimpfen. Da über die 1300 Dosen hinaus kein zusätzlicher Impfstoff zur Verfügung gestellt werden konnte, musste das Impfzentrum Braunschweig auf Teile (rund 1000 Dosen) der Ration für die kommende Woche zurückgreifen.“ Dabei habe es sich um Impfstoff von Biontech gehandelt, der bereits geordert gewesen war.

Wie viel Wert die Aussage der Stadt über die zusätzlichen Impfungen hat, darüber lässt sich jedoch auch trefflich streiten. Denn weder Braunschweig noch die anderen Impfzentren zwischen Harz und Heide hatten sonntags zuvor ihre Impfzentren aufgeschlossen.