Hannover. Die Töchter unserer Autorin üben den Corona-Test, der nach den Osterferien an Schulen und zu Hause Routine werden soll.

Bitte erst mal die Nase schnäuzen. Mehrmals. Jetzt die Extraktionslösung öffnen und die Flüssigkeit in das zugehörige Röhrchen schütten. Vorsicht! Alles vom Gesicht weghalten und den Kontakt mit beiden Behältern vermeiden. Meine Hände sind feucht, meine beiden Töchter schauen mich mit großen Augen an. Jetzt den Tupfer aus der Verpackung ziehen. Vorsicht! Die weiche, textile Spitze nicht mit den Händen berühren.

Geschafft. Lea ist als erste an der Reihe. Die Neunjährige hat schon einmal einen Corona-Test gemacht, als ein Klassenkamerad an Covid erkrankt war. Damals war es ein PCR-Test – den Rachenabstrich hatte ein Mitarbeiter eines Testzentrums genommen und ins Labor geschickt.

Bei Lea (9) wird ein Corona-Schnelltest durchgeführt.
Bei Lea (9) wird ein Corona-Schnelltest durchgeführt. © Birte Reboll | Birte Reboll

Heute, hier und jetzt in unserer Küche, sind wir es, die Eltern, die bei unseren beiden Töchtern einen Corona-Schnelltest durchführen sollen. In der Nase. Wir befinden uns in der Testphase, die Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) angeordnet hat. Einen Tag vor den Osterferien konnten wir die Tests aus der Schule abholen, um sie in den Ferien auszuprobieren. „Mensch, Mama, muss das sein?“, fragt Anni. Die Sechsjährige geht in die erste Klasse der nur wenige hundert Meter von unserem Haus entfernten Grundschule. Wenn ich ehrlich wäre, würde ich Anni antworten: „Nein, der Test muss nicht sein, wir lassen ihn einfach sausen.“ Tatsächlich ist die Teilnahme freiwillig, bedurfte nur unserer schriftlichen Einverständniserklärung. Aber wir haben zugestimmt, und so sage ich zu meiner Tochter: „Mein Schatz, wir probieren den Test mal aus und schauen, wie es sich anfühlt.“ Einfühlungsvermögen ist gefragt. Und in diesem Moment Geschicklichkeit.

In der einen Hand halte ich die Gebrauchsanleitung, in der anderen den Tupfer. Lea sitzt still auf der Eckbank und hebt den Kopf. Ich führe den Tupfer in ihr rechtes Nasenloch ein. Zweieinhalb Zentimeter tief. Nun drehe ich den Tupfer hin und her, um laut Anleitung Schleim und Zellen einzusammeln. Drei bis vier Mal soll der Tupfer gedreht werden, dann ist das andere Nasenloch mit demselben Tupfer dran. Wenn es nicht um meine Töchter ginge, würde ich jetzt auflachen. In der Anleitung steht: „Vorsicht! Dies kann sich unangenehm anfühlen. Führen Sie den Tupfer nicht tiefer ein, wenn Sie starken Widerstand oder Schmerzen spüren.“ Ach nee. Das versteht sich wohl von selbst.

Fingerspitzengefühl ist gefragt, wenn man die Extraktionslösung auf die Mulde der Testkassette träufelt.
Fingerspitzengefühl ist gefragt, wenn man die Extraktionslösung auf die Mulde der Testkassette träufelt. © Birte Reboll | Birte Reboll

Schmerzen habe sie nicht gehabt, sagt Lea. Es sei sogar etwas kitzelig in der Nase gewesen, so die Drittklässlerin. Glück gehabt. Lea kann sich zurücklehnen. Ich stecke den Tupfer in das Röhrchen mit der Flüssigkeit und drehe ihn ein paar Mal herum. Der Tupfer kann nun raus und in den Müll. Von der Flüssigkeit gebe ich drei Tropfen auf eine Mulde, die zu einer Testkassette gehört. Vorsicht! Nach dem Öffnen muss die Testkassette sofort verwendet werden. Und: Die Bildung von Luftblasen in der Mulde ist zu vermeiden.

Uff. Das Ergebnis wird nach
15 bis 20 Minuten angezeigt. Erscheinen zwei Farblinien, ist der Test gültig und positiv. Das Ergebnis ist als positiv zu werten, egal wie schwach die Linien sind. Eine einzige Linie im Kontrollbereich zeigt an, dass der Test gültig und negativ ist. Vorsicht, sagt auch hier die Gebrauchsanweisung! Ein negatives Ergebnis schließt eine virale Infektion mit SARS-CoV-2 nicht aus und sollte bei Verdacht durch molekulardiagnostische Methoden bestätigt werden. Skurril!

Wir können aufatmen. Leas und später auch Annis Kontrollfelder zeigen an, dass ihre Tests korrekt durchgeführt wurden. Beide Mädchen sind negativ und laut Test nicht an Covid erkrankt.

Dennoch bleiben Zweifel, was den Sinn und die Aussagekraft der Tests betrifft.

Das sagen die Mädchen

„Es war gar nicht ganz so schlimm“, sagt Anni, die Sechsjährige, und grinst. Ihre Zahnlücke oben rechts ist so groß, dass sie ihre Zunge hindurchschieben kann. Wenn es sein muss, würde sie erneut einen Schnelltest machen, resümiert Anni. „Aber Spaß gemacht hat es nicht, Mama.“

Lea ist kritisch und hinterfragt: „Bringen solche Tests überhaupt was?“ Also, wenn alle in ihrer Klasse mitmachten, wäre sie auch weiterhin dabei, überlegt die Neunjährige. Von ihren Freundinnen weiß sie, dass die Mehrheit die Tests durchführt.

Das sagt die Mama

Schülerinnen und Schüler, die eine weiterführende Schule besuchen, müssen diese Schnelltests – so der aktuelle Plan – in der Schule im Klassenraum durchführen. Allein, ohne jegliche Hilfe. Sie müssen all die komplizierten und in der Gebrauchsanleitung umständlich beschriebenen Schritte ohne ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten korrekt umsetzen. Es scheint wie eine Mammutaufgabe. Kommt am Ende ein positives Testergebnis hinzu, das jede Klassenkameradin und jeder Klassenkamerad mitbekommt, wird für die oder den Betroffenen mit Sicherheit verstörend sein – egal wie alt man auch sein mag.

Die sechsjährige Anni wird auf Corona getestet.
Die sechsjährige Anni wird auf Corona getestet. © Birte Reboll | Birte Reboll

Dass bei Grundschulkindern anders verfahren wird und die Eltern zu Hause testen dürfen, ist daher eine nachvollziehbare und richtige Entscheidung. Aber warum dürfen nicht alle Kinder von Jahrgang 1 bis Jahrgang 13 zu Hause getestet werden? Wir haben die Tests zu Hause ohne Komplikationen hinter uns gebracht. Meine Töchter haben positiver reagiert als gedacht, nachdem wir ihnen erklärt haben, warum diese Tests überhaupt eingeführt werden. Dennoch bleibe ich skeptisch.

Wie verkraften vor allem die jungen Kinder all die Corona-Maßnahmen in der Schule? Als meine sechs Jahre alte Tochter Anni im vergangenen Sommer eingeschult wurde, durften ihre Geschwister nicht an der Einschulung teilnehmen. Nur wir Eltern waren zugegen. Die Kinder in der Schule sind überaus diszipliniert. Jeden Morgen stellen sie sich in Reih und Glied auf dem Schulhof auf. Mit Maske, mit Abstand. Im Klassenraum werden die Hände mehrmals am Vormittag gewaschen, gegebenenfalls desinfiziert. Die Maske darf nur am Platz abgenommen werden, auf dem Schulhof in der Pause gilt: Maske wieder auf, Abstand halten. Wir befinden uns in Szenario B – das bedeutet eine Woche Unterricht mit halber Klasse, eine Woche Homeschooling ohne Klassenkameraden. Den Kindern wird viel abverlangt. Sehr viel. Sie leisten jeden Tag Großartiges.

Wir machen die Schnelltests erst mal weiter mit, um sie – wie die Testwoche schon sagt – auszuprobieren. Aber überzeugt bin ich nicht.

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Das sagt der Papa

Ja, ich denke, die Tests können hilfreich sein. Asymptomatische Kinder mit einer hohen Viruslast können erkannt werden, die Gefahr der Ansteckung anderer kann verringert werden.

Ich sehe aber auch, dass ein negatives Testergebnis keine Corona-Infektion ausschließt. Der Test bringt also keine absolute Sicherheit, und alle Hygieneregeln in der Schule müssten unverändert eingehalten werden.

Jeder Test ist eine Momentaufnahme und seine Aussage vielleicht schon am nächsten Tag überholt. Daher macht das Testen meines Erachtens in den Schulen erst dann Sinn, wenn die Tests zwei bis drei Mal in der Woche stattfinden würden. Inwieweit das gerade für Grundschüler und besonders Erstklässler zumutbar ist, lässt sich hoffentlich nach dieser Testwoche abschätzen.

Ich würde die Schnelltests befürworten, wenn sie dazu beitrügen, auch bei höheren Inzidenzen das Szenario B zu ermöglichen. Wenn aber zu selten getestet und die Aussagekraft der Tests überschätzt wird, sind sie für mich kein nützliches Werkzeug.

Das sagt das Ministerium

Laut niedersächsischem Kultusministerium wurden die Tests in der vergangenen Woche von Grundschülern zu Hause vorgenommen, bei den Älteren in den Schulen. „Wir haben also beide Varianten ausprobiert. Es gibt für jeden Weg gute Gründe dafür und substanzielle Einwände dagegen“, sagte der Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Auch werde noch geprüft, ob die Testung nach den Osterferien ein Angebot oder verpflichtend werden.

In Niedersachsen sind die zweiwöchigen Ferien am vergangenen Wochenende gestartet. In der Testwoche waren landesweit etwa 733.000 Schülerinnen und Schüler im Wechselunterricht – rund die Hälfte von ihnen also in der Schule, die andere Hälfte im Homeschooling. Das Kultusministerium hat bereits elf Millionen Test-Kits für die Schulen nach den Ferien angekündigt.

Das sagt die GEW

Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert erneut, die Selbsttests zu Hause oder in Testzentren, aber nicht in den Schulen zu machen. Auch mobile Testteams könnten eingesetzt werden. In unzähligen Rückmeldungen aus den Schulen sei vor allem das Infektionsrisiko für die Beschäftigten beim Testen scharf kritisiert worden, sagte GEW-Landeschefin Laura Pooth der Deutschen Presse-Agentur. Hinzu komme, dass Hilfe und Beaufsichtigung beim Testen sowie die Dokumentation keine pädagogischen Aufgaben seien und erneut Unterrichtszeit kosteten. In einigen Schulen seien auch gar keine Test-Kits angekommen.