Braunschweig. Nach Ostern wird auch in Praxen der Corona-Piks gesetzt. Noch ist wenig Impfstoff da. Daher bitten Ärztevertreter der Region Patienten um Geduld.

Nach Ostern sollen auch die Hausärzte flächendeckend in die Corona-Impfkampagne einsteigen. Dabei können sie zunächst auf nur wenige Impfdosen zurückgreifen. Die von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) jüngst angekündigte durchschnittliche Liefermenge von 20 Dosen pro Praxis pro Woche hält auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in unserer Region für den ersten Zeitraum für eine realistische Angabe. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt, es stünden eine Million Impfdosen für die Kalenderwoche 14 (ab Ostermontag) zur Verfügung.

Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in der Region Braunschweig, Dr. Thorsten Kleinschmidt, appelliert daher an die Patienten, sich noch in Geduld zu üben. „Wir werden unser Bestes tun. Aber wir können auch nicht mehr verimpfen als da ist“, sagt er. Es sei daher nicht zielführend, wenn Patienten schon jetzt versuchten, Termine zu bekommen. Es müsse verhindert werden, dass es dort zu „Telefonblockaden“ käme, die den Regelbetrieb außer Kraft setzten. Zusammen mit dem örtlichen KV-Geschäftsführer Stefan Hofmann und dem Sprecher der KV-Kreisstelle in Braunschweig, Dr. Oliver Marschal, informierte Kleinschmidt über den Stand der Planungen.

Ab wann wird geimpft?

Der 7. April ist offiziell der Starttermin. „Bis Dienstagmittag müssen die Hausärzte ihre Bestellung abgegeben haben. Bis Donnerstag wissen die Praxen dann, wie viele Dosen sie erhalten. Am Dienstag nach Ostern wird in die Praxen geliefert“, erklärt KV-Sprecher Kleinschmidt das Prozedere, das auch in den Wochen danach so beibehalten werde. Natürlich hoffe man, dass der in Berlin angekündigte Impfturbo dann auch endlich angeschmissen werde. „Nach den Hausärzten sollen dann Zug um Zug auch die Facharztpraxen Impfstoff erhalten“, erklärt KV-Geschäftsführer Stefan Hofmann. Mit einer Prognose, wann das sei, ist man aufseiten der KV noch vorsichtig.

Wer impft?

Zunächst sind nur die Hausärzte an der Reihe. Hofmann spricht von rund 700 Praxen für den Bezirk Braunschweig, die dafür infrage kämen. „An der Kampagne sind aber mehr Ärzte beteiligt, denn es gibt ja auch Gemeinschaftspraxen“, erklärt Hofmann. Man könne nur in der Ärzteschaft dafür werben, sich hier einzubringen. Aber natürlich sei der Aufwand, neben der Aufrechthaltung des allgemeinen Betriebs, enorm. Onkologe Dr. Oliver Marschal impft in seiner Schwerpunktpraxis seit drei Wochen gegen Corona. Die Praxis gilt als eine von zwei Modellpraxen in Braunschweig, die Abläufe im Vorfeld des Impfstarts testet. Er hat bislang viele gute Erfahrungen gemacht. Man habe bisher etwa 300 Personen geimpft, fast ausschließlich mit Astrazeneca. „Die Rückmeldungen waren gut, die Nebenwirkungen eigentlich kaum vorhanden. Und das ganze Praxisteam ist mit einem unglaublichen Engagement bei der Sache, weil es weiß, es ist für eine gute Sache“, sagt Marschal. Die Dankbarkeit der Patienten für den Einsatz sei außerordentlich und sporne zusätzlich an.

Wer wird zuerst geimpft?

Sprecher Kleinschmidt vermutet: „Das wird in den Praxen individuell geregelt. Und das ist auch gut so.“ Kleinschmidt, selbst Hausarzt, sagt: „Der Arzt kennt den Patienten, aber auch den Menschen und weiß um dessen Krankheitsgeschichte.“ Er selbst werde zunächst die Prioritätenliste der Ständigen Impfkommission abarbeiten. „Erst die über
80-Jährigen, die noch nicht geimpft sind, dann die über 70-Jährigen und Patienten mit besonders schweren Vorerkrankungen.“

Was wird verimpft?

In den ersten Wochen – mindestens aber bis zum 18. April – soll das
Vakzin von Biontech/Pfizer gespritzt werden. Das geht aus einem Informationsblatt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB) hervor, das unserer Zeitung vorliegt. Auch Bezirkssprecher Kleinschmidt bestätigt diese Information. Der Grund ist offensichtlich: Bei diesem Hersteller ist man sicher, dass er in diesem Zeitraum die meisten Dosen liefern kann, sodass es nicht zu Engpässen in den Arztpraxen kommt. Dass die mRNA-basierten Vakzine von Biontech und auch Moderna extra aufbereitet und extrem gekühlt gelagert werden müssen, ist bei der Entscheidung offenbar zweitrangig. Das Bundesgesundheitsministerium teilt unserer Zeitung auf Anfrage mit: „Der Impfstoff von Biontech, der in den Kalenderwochen 14 und 15 an die Arztpraxen ausgeliefert werden soll, soll im Großhandel aufgetaut und angeliefert werden, muss dann aber von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten innerhalb von fünf Tagen verimpft werden.“

Was erhoffen sich die Ärztevertreter?

Kleinschmidt, Marschal und Hofmann sind sich einig: Es sei ein positives Signal, trotz der Mangelsituation beim Impfstoff, dass es jetzt endlich losgehen könnte. Sie wehren sich gegen die Bedenkenträger, die schon vor dem Impfstart Probleme bei der Anlieferung der Dosen in die Praxen befürchten. Nicht jeder Einzelfall solle in dem Zusammenhang zur Regel gemacht werden, plädieren sie für eine zuversichtliche Herangehensweise an diese Mammut-Aufgabe. Alle drei hoffen aber auch auf Geduld und Rücksichtnahme aufseiten der Patienten. „Wir können nur das verimpfen, was wir bekommen. Unsere Mitarbeiter in den Praxen können am allerwenigsten etwas dafür, wenn Termine auf sich warten lassen oder ein Termin auch einmal abgesagt werden muss. Also seien Sie gnädig und respektvoll“, bittet Hausarzt Kleinschmidt.

Was fordern die Ärzte von der Politik?

Man müsse mit den Fehlern, die bei der Bestellung des Impfstoffes passiert seien, jetzt umgehen. Ändern könne man daran nichts mehr. Kleinschmidt sagt: „Ich ärgere mich aber maßlos, wenn mir irgendwelche praxisfernen Bürokraten etwas über den Impfablauf erzählen wollen.“ Impfen gehöre zum Kerngeschäft jedes Arztes, sagt er.

Und Marschal ergänzt: Die Abläufe seien dieselben wie bei der Grippe-Impfung, nur dass man sich durch die Pandemie in einer wesentlich größeren Notlage befinde. „Aber das ist alles keine Raketenwissenschaft. Wir bekommen das hin. Da sollte sich keiner Sorgen machen.“ Erst mit der Einbeziehung der Praxen könne die rasche Durchimpfung der Gesellschaft gelingen.

Welche Rolle spielen Apotheken?

Die Apotheken haben eine Scharnierfunktion in der Lieferkette. Sie werden vom Großhandel mit dem vom Bund georderten Impfstoff versorgt und leiten diesen dann an die Hausärzte weiter. KV-Sprecher Kleinschmidt erklärt: „Jede Praxis soll immer von derselben Apotheke beliefert werden. So wird verhindert, dass ein und derselbe Arzt unterschiedliche Bestellvorgänge tätigt und Dosen hortet. Das ist nicht gewollt.“

Bedenken einiger Apotheken, man könne insbesondere bei dem Impfstoff von Biontech/Pfizer die „Kühl- und Lieferauflagen“ nicht erfüllen, hält er für übertrieben. „Erstens kommt mit der Lieferung auch eine Anleitung, die aussagt, wann der Impfstoff aufgetaut wurde und wie lange er noch verwendbar ist. Und zweitens: Wir erwarten auch nicht von den Apotheken, dass sie das Vakzin schon in die Einwegspritzen ziehen, um es vor Erschütterungen zu schützen. Das machen wir selbst in den Praxen. Und das ist auch ausreichend.“