Braunschweig. Anwalt eines Braunschweiger Patienten stellt Eilantrag vor Gericht auf baldige Corona-Impfung. Gesundheitsministerium verweist auf Bundesverordnung.

Seit kurzem impft Niedersachsen die Prioritäts- gruppe 2. Immer mehr Polizisten, Lehrer und Erzieher erhalten ein Impfangebot. Doch nach wie vor geht ein Teil dieser Prioritätsgruppe leer aus: die Hochrisiko-Patienten – selbst, wenn sie ein eindeutiges Attest vorweisen können, so wie der Braunschweiger, über den wir kürzlich berichteten.

Der 48 Jahre alte Braunschweiger hat eine Autoimmunerkrankung, durch die seine Muskulatur geschädigt wird. Vergeblich hat der Familienvater in den vergangenen Wochen versucht, einen Impftermin im Braunschweiger Impfzentrum zu erhalten. Anscheinend hat die Landesregierung den Kommunen und den entsprechenden Impfzentren ausdrücklich untersagt, Hochrisiko-Patienten der Prioritätengruppe 2 eine Impfung anzubieten. Zunächst sollten Polizisten, Lehrer und Erzieher geimpft werden. Das geht aus einer telefonischen Anfrage hervor, die der Berliner Anwalt des Mannes ans Impfzentrum Braunschweig gestellt hat.

Einzelpersonen werden nach Berufsgruppen geimpft

Wir fragen bei Dr. Thorsten Kornblum, Dezernent und Leiter des Braunschweiger Impfzentrums, nach. Er sagt: „Es gibt den Wunsch und Willen aller Verantwortlichen vor Ort, so schnell wie möglich mit Impfungen der Risikopatienten im Impfzentrum oder in Arztpraxen zu beginnen. Leider lässt die Erlasslage das derzeit noch nicht zu, wir haben keinen Spielraum.“ Aktuell bereite das Land ein Impfangebot auch für Risikopatienten vor. Diese sollen dann vorzugsweise beim Hausarzt geimpft werden.

Um welchen Erlass es sich dabei handelt, erfahren wir nach intensiver Nachfrage bei der Stadt Braunschweig. Offenbar geht es um einen nicht öffentlichen Erlass des Landes (Kompetenzzentrum, Innenministerium). Die ministeriellen Vorgaben darin sähen verbindlich vor, zunächst die priorisierten Berufsgruppen zu impfen und Einzelpersonen folglich erst später.

Das niedersächsische Innenministerium verweist auf Nachfrage ans Gesundheitsministerium. Dieses teilt wiederum mit, dass ihm ein solcher Erlass nicht bekannt sei und es nach den Vorgaben der Bundesimpfverordnung handele.

Noch keine Warteliste für Hochrisiko-Patienten

Auf die Frage, warum es möglich sei, Polizisten, Lehrern und Erziehern einen Impftermin anzubieten, chronisch Kranken mit Attest, dass sie zur Prioritätsgruppe 2 gehören, aber nicht, antwortet das Gesundheitsministerium ausweichend und verweist auf die Bundesimpfverordnung. Diese Verordnung sieht vor, dass zunächst Menschen der Prioritätsgruppe 1, etwa über 80-Jährige, geimpft werden. Inzwischen hat Niedersachsen allerdings bereits begonnen, die Prioritätsgruppe 2 zu impfen und den ersten Polizisten, Lehrern und Erziehern ein Impfangebot gemacht. Der Gruppe der Hochrisiko-Patienten, auch wenn sie per ärztlichem Attest die Zugehörigkeit zur Prioritätsgruppe 2 eindeutig nachweisen können, wird nach wie vor in Niedersachsen keine Möglichkeit eingeräumt, sich auch nur auf eine Warteliste für einen Impftermin setzen zu lassen.

Alle Versuche scheiterten

Der Braunschweiger Hochrisiko-Patient hatte in den vergangenen Wochen mehrfach versucht, einen Impftermin über die Hotline, das Impfportal im Internet und telefonisch direkt beim Impfzentrum in der Stadthalle zu bekommen. Alle Versuche scheiterten. Deshalb wandte sich der Braunschweiger schließlich an den Berliner Anwalt Marian Lamprecht. Dieser hat in der vergangenen Woche vor dem Verwaltungsgericht Hannover einen Eilantrag auf eine Corona-Schutzimpfung für seinen Mandanten gestellt. Eine Entscheidung steht noch aus. Das Gericht hat vergleichbare Fälle in der Vergangenheit jedoch stets abgelehnt, sagt Lamprecht. Die Begründung: Es könne nicht sichergestellt werden, dass nicht noch höher priorisierte Impfberechtigte vorhanden sind.

Anwalt Lamprecht äußert Unverständnis: „Die Impfreihenfolge wird in Niedersachsen nicht mehr eingehalten – Hochrisiko-Patienten werden komplett vernachlässigt.“ Laut Lamprecht verlaufe die
Terminvergabe absolut intransparent. Einige seiner Mandanten hätten zuletzt scheinbar zufällig kurzfristig Termine für eine Impfung erhalten, nachdem seine Kanzlei den Eilrechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten für sie beantragt hatte.

„Verstoß gegen Priorisierung“

Noch vor zwei Wochen hatte das Gesundheitsministerium angekündigt, dass eine Lösung für Hochrisiko-Patienten in Kürze kommen werde. Dazu zähle auch, dass sich Hochrisiko-Patienten zukünftig über die Impf-Hotline des Landes oder das Impfportal im Internet auf eine Warteliste für einen Impftermin setzen lassen könnten. Wann es soweit sein wird, bleibt weiter offen.

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Auch der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens hatte jüngst kritisiert, dass einige Bundesländer vom Ziel abgerückt wären, die Schwächsten und Gefährdetsten für schwere Covid-19-Verläufe zuerst zu schützen. „De facto wird in den Ländern schon lange gegen die Priorisierung verstoßen“, sagte Mertens. Es seien schon jetzt viele geimpft worden, die nach wissenschaftlichen Kriterien der Priorisierung noch nicht an der Reihe wären – etwa Polizisten, Lehrer und Erzieher.

Situation in anderen Bundesländern besser

In anderen Bundesländern ist die Situation für Hochrisiko-Patienten offenbar deutlich besser. In Hessen etwa ist es möglich, im Internet einen Termin im Impfzentrum zu buchen. Vor Ort legt man eine ärztliche Bescheinigung vor und erhält eine Impfung, wenn die Einstufung in Prioritätsgruppe 2 korrekt begründet ist. In Berlin werden jüngere chronisch Kranke zwischen 18 und 64 von der Kassenärztlichen Vereinigung direkt zu einem Impftermin eingeladen.

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