„Offenbar gibt es in der weißrussischen Spitze den Wunsch nach guten Beziehungen. Das muss die EU jetzt nutzen.“

Es ist schon beeindruckend, was uns aus Weißrussland gerade an ermutigenden Botschaften erreicht – dem scharfen Vorgehen der Sicherheitskräfte zum Trotz. „Keiner wird Sie auseinanderjagen und Ihnen etwas antun“, beruhigt ein Polizist in einem von Passanten gefilmten Handyvideo eine Gruppe Bürger, die gegen Lukaschenkos offenkundigen Wahlbetrug auf die Straße gegangen sind. „Ich muss ja hier weiter mit euch auskommen und meinen Dienst ausüben.“ Die Umstehenden applaudieren.

Das Volk verschafft sich zunehmend Gehör. Die Angst ist noch da, aber viele Weißrussen sind nicht mehr bereit, sich von ihr bestimmen zu lassen. Dieser Mut verdient höchste Anerkennung. Auch wenn es noch keine Anzeichen für ein Einlenken gibt: Die Hoffnung, dass Mitglieder der Staatsführung merken, was im Lande passiert und die Notwendigkeit eines Dialogs erkennen, besteht. Nachhelfen sollte hierbei die EU. Offenbar gibt es in der weißrussischen Spitze den Wunsch nach guten Beziehungen. Auch die Vermittlerrolle, die Minsk im Ukrainekonflikt gespielt hat, ist Ausdruck davon. Das sollten die Europäer jetzt nutzen und vereint energisch auf ein Ende der Gewalt, die Freilassung der Festgenommenen und politischen Dialog drängen. Wichtig: Die bei der Ukraine begangenen Fehler – ein abschreckendes Beispiel für die Weißrussen – dürfen sich nicht wiederholen. Das heißt aber auch: Ohne Moskau wird eine Rechnung nicht zu machen sein. Das gilt für Lukaschenko, aber auch für die demokratische Opposition.