Braunschweig. Inzwischen gibt es genug Schutzausrüstung und eine gute Test-Struktur. Aber viele Praxen leiden wirtschaftlich unter den Folgen der Krise.

Es ist gerade vier Monate her, dass die Hausärzte in unserer Region einen dramatischen Appell an die Öffentlichkeit richteten: Jeder, der noch Schutzkleidung oder -anzüge hat, möge sie doch dringend in seiner Arztpraxis abgeben. Inzwischen gibt es keinen Engpass bei der Schutzausrüstung mehr; die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) sieht sich auch mit Blick auf eine mögliche zweite Corona-Welle gut vorbereitet. „Wir haben Schutzkleidung auf Lager“, sagt KVN-Sprecher Uwe Köster. Jeder Arzt könne sie bei Bedarf über das Portal der KVN bestellen.

Für den Fall, dass die Infektionszahlen in Niedersachsen wieder ansteigen sollten und mehr Patienten als derzeit üblich auf das Coronavirus getestet werden müssten, gebe es nun Anlaufstellen, also Praxen mit erhöhten Test-Kapazitäten. Eine öffentlich zugängliche Liste solcher Infektionspraxen liegt nicht vor. Vielmehr sollten sich die Patienten bei Verdacht auf eine Infektion nach wie vor telefonisch an ihren Hausarzt wenden, der dann gegebenenfalls auf andere Stellen verweist, rät Dr. Oliver Marschal, Vorsitzender der KV-Kreisstelle Braunschweig. Jederzeit reaktiviert werden können auch die regionalen Corona-Testzentren, die zur Hochzeit der Coronakrise in vielen Regionen Niedersachsens eingerichtet worden waren. Im März und April hatte es zum Beispiel in Hannover und Braunschweig sogar Drive-in-Zentren gegeben, in denen Ärzte wie am Fließband Abstriche gemacht haben. Zuletzt gab es allerdings kaum noch Anmeldungen für Tests, so dass solche Zentren überflüssig wurden. Sollte deren Einrichtung wieder nötig werden, könne man schnell auf bewährte Strukturen zurückgreifen, sagt Marschal.

Es kamen deutlich weniger Patienten in die Arztpraxen

Die bisherige Hochphase der Corona-Pandemie hatte für die Ärzte aber auch andere weitreichende Folgen: Da sich zunächst alles auf die Behandlung von Covid-19-Patienten konzentrierte, nicht notwendige Behandlungen abgesagt wurden und sich viele aus Angst vor einer Ansteckung nicht in die Praxen trauten, blieben vielerorts die Wartezimmer leer. Laut Kassenärztliche Bundesvereinigung lag die Zahl der Fälle mit persönlichem Kontakt zwischen Arzt und Patient in der letzten Märzwoche je nach Fachrichtung um 37 bis 64 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen hatten 43 Prozent der Ärzte aufgrund eines pandemiebedingten Fallzahlrückganges Umsatzeinbußen im GKV-​Honorar von mehr als 10 Prozent zu verzeichnen. Sie kommen damit unter den Corona-Rettungsschirm, der finanzielle Einbußen abfedern soll.

Auch Zahnärzte waren zu Beginn der Pandemie dazu angehalten, nur in dringenden Fällen zu behandeln. Die Zahnärztekammer Niedersachsen hatte 950 Praxen nach den Folgen befragt: Danach lag der Rückgang des Arbeitsaufkommens zuweilen bei mehr als 50 Prozent. Inzwischen hat sich die Lage weitgehend normalisiert, sagt Dr. Michael Loewener, Sprecher der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen. „Die Hygiene- und Schutzmaßnahmen sind in einer Zahnarztpraxis ohnehin sehr ausgeprägt. Patienten müssen also keine Sorgen vor einer Ansteckung haben.“ Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf eine Infektion besteht, werden in Schwerpunktpraxen behandelt. Welche das vor Ort sind, könnten sie bei ihrem Zahnarzt erfragen.

„Wie hoch eine zweite Welle wird, können wir durch unser Verhalten beeinflussen“

Noch ist unklar, in welchem Umfang und wann eine zweite Corona-Welle auf uns zukommt. Ab kommender Woche sollen an allen Flughäfen zentrale Teststellen für Reiserückkehrer aus Risikogebieten eingerichtet werden, um zu verhindern, dass Urlauber dass Virus durch das Land tragen. Doch was ist mit Reisenden, die mit dem Auto oder dem Zug unterwegs sind? In Berlin können sich auch symptomfreie Reiserückkehrer aus Risikogebieten in Arztpraxen auf das Coronavirus testen lassen. Eine bundesweit einheitliche Regelung dazu gibt es bislang nicht.

Dr. Marschal appelliert an alle, bisher erreichte Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie nicht aufs Spiel zu setzen. „Wir sollten diszipliniert bleiben, uns an die Regeln halten. Wie hoch eine zweite Welle wird, können wir durch unser Verhalten beeinflussen.“