Braunschweig. Ab sofort warten der Betriebsrat und das Werkmanagement von Volkswagen Braunschweig auf Bewerbungen von Jugendlichen.

Diese Auszeichnung wird mit jedem Jahr wichtiger. Weil sich Eigennutz, Gewalt, Rassismus und Ausgrenzung immer mehr auszubreiten scheinen. Weil Ignoranten auf den Autobahnen die Rettungsgassen versperren, weil betrunkene Fußballfans im Aufstiegstaumel randalieren und alle Rücksichtnahme fahren lassen, weil Rechtsextreme immer ungenierter ihre Fremdenfeindlichkeit auf die Straßen und in die Öffentlichkeit tragen. Seit 2013 wollen Betriebsrat und Werkmanagement von Volkswagen in Braunschweig mit dem Sally-Perel-Preis gegensteuern und zu mehr Mitmenschlichkeit ermuntern. „Es geht bei diesem Preis um Respekt und Toleranz, um Haltung und Gemeinwohl. Gerade in Zeiten von Corona ist es wichtig, Zeichen der Solidarität zu setzen“, erklärt Mathias Möreke, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender.

14- bis 35-Jährige können sich bewerben

Die Organisatoren nehmen ab sofort Bewerbungen für geplante oder bereits realisierte Projekte entgegen. Der Preis richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene von 14 bis 25 Jahren aus der Stadt Braunschweig und den Landkreisen Wolfenbüttel und Peine. Mit einem Preisgeld von 3000 Euro sollen die drei besten Bewerbergruppen unterstützt werden. Einsendeschluss ist der 31. Oktober. Eine Jury entscheidet über die Einsendungen. Der Preis soll im Dezember während der VW-Betriebsversammlung in Braunschweig vergeben werden.

Mörike setzt auch auf die Unterstützung engagierter Lehrer, die ihre Schüler mitreißen, sich zu beteiligen: „Ideen sind gefragt. Wir nehmen sehr gerne kurze Videofilme an, die von Toleranz und Respekt im Alltag handeln, aber auch jedwede Auseinandersetzung mit dem Thema in Aktionen, Projekten, Initiativen und Veranstaltungen.“ VW sei bei der Umsetzung der Konzepte und Ideen gern behilflich. „Mit Hilfe von Sponsoren wurde schon manches Vorhaben in die Tat umgesetzt“, so Mörike.

Im letzten Jahr siegten die „Falken“

Im vergangenen Jahr hatte den Preis unter anderem die sozialistische Jugendorganisation „Die Falken“ für die Gestaltung von Informationstafeln für die Gedenkstätte Schillstraße in Braunschweig erhalten. Als eine der ältesten Jugendverbände hatte sie die Lebensläufe sowie Misshandlung und Ausgrenzung von Mitgliedern ihrer Organisation während der Nazi-Herrschaft aufzeigen wollen. Die Berufsbildenden Schulen (BBS) in Helmstedt erhielten die Auszeichnung für ein Video, in dem sie Personal der Schule und Schüler zu ihrem Verständnis von Respekt und Toleranz befragt hatten. Eine Schule aus Münster hatte sich in einem Theaterprojekt mit Einzelschicksalen von Geflüchteten auseinandergesetzt und damit die Jury überzeugt.

„Hitlerjunge Salomon“ Sally Perel ist Namensgeber

Sally Perel, den Namensgeber des Preises, kennen in Braunschweig und Umgebung inzwischen schon viele Schüler persönlich. Weil der inzwischen 95-Jährige in unzähligen bewegenden Lesungen und Unterrichtsbesuchen über sein außergewöhnliches Schicksal berichtet hat. Als Mitglied der Hitlerjugend war es ihm gelungen, seine jüdische Identität zu verbergen und den Nationalsozialismus zu überleben. 1943 war der gebürtige Peiner als Minderjähriger von der Front abgezogen worden und zur Berufsausbildung nach Braunschweig gekommen. Die Ausbildung zum Werkzeugmacher absolvierte er im „Vorwerk“ von Volkswagen.

1948 schließlich wanderte Perel nach Israel aus, um den damals gerade gegründeten Staat mit aufzubauen. 1992 kam in Deutschland seine Autobiografie „Ich war Hitlerjunge Salomon“ auf den Markt, die Regisseurin Agnieszka Holland sehr erfolgreich verfilmte.

Markurth: Ehrenbürgerwürde für Perel

Schirmherr des Sally-Perel-Preises ist Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Er unterbreitete dem Rat der Stadt jüngst auch den Vorschlag, Perel zum Ehrenbürger zu ernennen. Die Entscheidung treffen die Kommunalpolitiker in ihrer Sitzung am kommenden Dienstag. „Dank seines unermüdlichen Engagements gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit wirkt Sally Perel als Botschafter für Frieden, Versöhnung und Völkerverständigung“, begründete Markurth seinen Vorstoß. „Aufgrund seines Wirkens leistet er 75 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus als einer der letzten Zeitzeugen einen herausragenden Beitrag für eine verantwortungsbewusste Erinnerungskultur. Seine persönlichen Erfahrungen und sein Wissen – auch über Braunschweigs Vergangenheit – spielen eine wichtige Rolle, um zu verstehen, dass Frieden, Freiheit und die Würde des Menschen unerlässlich für unsere Demokratie sind.“ Obwohl die Verleihung der Ehrenbürgerwürde niemals eine Wiedergutmachung sein könne, so sei sie doch ein Zeichen der Versöhnung.

„Böses kann nur durch Gutes bekämpft werden“

Perel ist ein unermüdlicher Mahner für Menschlichkeit. Er bekennt offen, der Propaganda der Nazis damals erlegen zu sein. „Ich wurde zum Hass erzogen auf alles, was nicht Deutsch war.“ Sein Gehirn sei vergiftet worden. „Böses kann nur durch Gutes bekämpft werden; Hass nur durch Liebe“, sagte Perel bei der Preisverleihung im vergangenen Jahr. Die Stärke einer Demokratie erweise sich im Umgang mit den Schwächsten. Der 95-Jährige ermuntert junge Menschen, sich um den Preis zu bewerben: „Werdet Botschafter für Toleranz und zum Vorbild. Es lohnt sich!“