Braunschweig. Die Grünen-Politikerin aus dem Südharz stellt sich als künftiges Mitglied im neu gewählten Europaparlament auch auf polemische Debatten ein.

Am Mittwoch tritt Viola von Cramon ihren Dienst an. Schon einen Tag vorher wird sich die Grünen-Politikerin auf den Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle machen. Streng genommen sind es zwei. Künftig wird die 49-Jährige als Mitglied des Europäischen Parlaments in Straßburg und Brüssel arbeiten. Von Cramon, geboren im westfälischen Halle, wohnt in Göttingen. Sie hat es als eine von zwei Kandidatinnen aus Niedersachsen geschafft, für ihre Partei ins Abgeordnetenhaus einzuziehen.

Ein Ziel, das im Vorfeld im Bereich des Möglichen erschien, jedoch kein Selbstläufer war. Die großen Zuwächse ihrer Partei und ein Ergebnis von mehr als 20 Prozent führten dazu, dass von Cramon jetzt die Chance besitzt, ihre Vorhaben auch in die politische Praxis umzusetzen. „Wir haben als Grüne gehofft, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen. Dass es so phänomenal wird, damit konnten wird nicht rechnen. Deswegen war es sowohl ein sehr überraschender als auch ein sehr schöner Wahlabend“, erklärte sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

Sie fühle sich als Niedersächsin und war auch mit diesem Anspruch angetreten. „Ich werde versuchen, die Belange aller Niedersachsen zu vertreten.“

Politikerin war von 2009 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags

Von Cramon, die von 2009 bis 2013 als Mitglied im Deutschen Bundestag saß und hier unter anderem Sprecherin ihrer Fraktion für europäische Außenpolitik und Sportpolitik war, macht eine „besondere Gemengelage“ für den Erfolg ihrer Partei aus. Die Wähler hätten gewusst, was sie erwartet, wenn sie die Grünen wählen. Man habe Themen gesetzt und beim Klimaschutz und der Zuwanderung klare Positionen gehabt. Und man habe sich nicht in „unsäglichen Personaldebatten“ ergangen. Zudem hätte ihre Partei davon profitiert, dass die strukturellen Probleme im Lager der europäischen Sozialdemokraten an Geschwindigkeit und Intensität zugenommen hätten, analysiert die Mutter von vier Kindern.

Für ihre Arbeit im künftigen Parlament sei es wichtig, gerade aufgrund des Erstarkens der Rechtspopulisten, auf Allianzen der Mitte zu setzen und diese zu bilden. Allianzen, die ihre Idee von Europa unterstreichen würden. Man müsse die EU-Institutionen stärken und die Bürger dabei mitnehmen. „Mit meiner Osteuropa-Kompetenz möchte ich dafür sorgen, dass wir demokratische Strukturen auch in den osteuropäischen Staaten stärken, die Korruption nachhaltig bekämpfen und eine echte Gegenantwort auf die Politik der Angst liefern. Nur wenn wir in der EU alle Staaten mitnehmen und einen klaren Blick auf die Realität behalten, können wir auch die richtigen Antworten formulieren. Mit mir werden die osteuropäischen Staaten in der EU und die anderen Staaten aus der ehemaligen Sowjetunion eine starke Stimme in der Fraktion erhalten“, schreibt die Politikerin auf der Homepage der Grünen in Niedersachsen. Dass diese ausgleichende Position aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse auch Angriffspotenzial bietet, darüber ist sie sich bewusst. „Das Parlament wird fragmentierter, polarisierter – und der Ton wird polemischer. Wir als Grüne müssen uns aber als stabiler Partner in der Mitte anbieten. Müssen unsere Konzepte durchsetzen, aber auch kompromissfähig sein. Das muss die Strategie sein.“

Entscheidung über EU-Kommissionschef: Nicht im Hinterzimmer treffen

Wen die Grünen am Ende des anstehenden Entscheidungsfindungsprozesses als künftigen EU-Kommissionspräsidenten unterstützen werden, darüber will die niedersächsische Politikerin vor ihrer ersten Tour nach Brüssel und Straßburg nicht spekulieren. „Wir gehen da über Inhalte und politische Schnittmengen. Das ist unser Prinzip.“ Was nicht sein dürfe, wäre die Umkehrung des Prinzips, das noch im Wahlkampf galt. „Wenn Gesichter zur Wahl stehen, am Ende aber Frau Merkel, Herr Macron und drei andere Regierungschefs den EU-Kommissionschef unter sich ausmachen, wird das europäische Projekt unglaubwürdig, dann wird Demokratie ausgehöhlt.“

Auch die CDU-Politikerin Lena Düpont aus dem Landkreis Gifhorn hat am Sonntag einen Platz im Europaparlament errungen. Wir sprachen mit ihr über diesen besonderen Moment.