Braunschweig. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung verspricht mehr Tempo. Sie legt im dritten Quartal 2019 den Plan für die Rückholung vor.

Warum beginnt man nicht endlich mit der Verfüllung der Asse? Dazu müsste natürlich der seinerzeitige Beschluss des Bundestages revidiert werden. Je eher, umso besser!

Das fragt unser Leser Dietrich Ehrlich.

Die Antwort recherchierte Andre Dolle.

Stabilitätsprobleme, eindringendes Wasser: Die Bergung der 126.000 Fässer aus dem maroden Atommüll-Lager Asse ist ein Wettrennen mit der Zeit. Das gibt auch der Betreiber des alten Bergwerks bei Wolfenbüttel, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), immer offener zu.

Zwischen 1967 und 1978 lagerte der Bund den schwach- und mittelradioaktiven Atommüll in der Asse ziemlich unbemerkt von der Öffentlichkeit und aus heutiger Sicht völlig verantwortungslos ein. Der Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Linke) bezeichnete die Asse als „eine der größten Umweltsünden der Bundesrepublik“. Das ist sicher nicht übertrieben. Im April 2017 hat die BGE vom Bundesamt für Strahlenschutz die Verantwortung für die Asse übernommen. Damit verbunden ist der gesetzliche Auftrag, die Asse nach der Rückholung der radioaktiven Abfälle unverzüglich stillzulegen. Darauf beruft sich auch unser Leser.

Ob es dazu kommt, wird sich zeigen müssen. Schonungslos beschreibt BGE-Geschäftsführer Thomas Lautsch in einem Blog-Beitrag die Situation der Asse – passend zu einem kleinen Jubiläum: Seit zehn Jahren steht die Asse unter Atomrecht und somit unter verschärften Sicherheitsbedingungen. Perli fordert trotz aller Schwierigkeiten: „Es ist völlig klar, dass die Sicherheit an der Asse nicht am Geld scheitern darf. Das ist unserer Region nach der Aufdeckung des Asse-Skandals zugesichert worden. Der Betreiber muss mit großem Einsatz die Sicherheit erhöhen und die Rückholung voranbringen, damit Asse II stillgelegt werden kann.“

Was Lautsch von der BGE erklärt, wird die Anwohner der Asse und die vielen interessierten Bürger in unserer Region nicht erfreuen. Er sagt: „Die Stabilisierung des Bergwerks zeigt Wirkung. Aber ob das reichen wird, weiß niemand.“ Er fährt fort: „Die Notfallvorsorge kommt langsam, aber sicher voran. Auch sie ist eine Voraussetzung für die Rückholung der Abfälle aus dem Bergwerk. Einlagerungskammern können nur dann geöffnet werden, wenn für das mögliche Absaufen des Bergwerks Vorsorge getroffen worden ist.“

Dem Abgeordneten Perli gehen die Fortschritte nicht schnell genug: „Umweltministerin Svenja Schulze hatte bei ihrem Besuch im Februar lediglich Absichtserklärungen dabei. Beim gegenwärtigen Tempo und zurückgehenden Investitionen wird der für 2033 geplante Start der Bergung nicht zu halten sein.“ Bereits jetzt investierte der Bund 1,5 Milliarden Euro in die Asse, davon alleine eine Milliarde Euro seit 2009. Allerdings gehen die Ausgaben für die Rückholung und die Stabilisierung der Asse leicht zurück. Für den Bundeshaushalt ist das gut, die Bergung des Atommülls wird dadurch nicht wahrscheinlicher.

Bis zum Jahr 2033 geht noch viel Zeit ins Land. Ob dann die Bergung des Atommülls startet, das kann die BGE noch immer nicht sagen. Sprecherin Monika Hotopp sagt vorsichtig: „Das Jahr 2033 als Startpunkt der Rückholung bleibt Ziel und Maßstab unserer Planungen.“ Mit Blick auf die Frage unseres Lesers sei angeschlossen: Die Asse ist auf Dauer nicht beherrschbar. Das würde auch für eine Verfüllung gelten. Deshalb hat der Bund extra die „Lex Asse“ beschlossen. Der Spuk soll ein Ende haben.

Szenario eins: Die Asse säuft ab Szenario zwei: Die Bergung gelingt

Immerhin kann die BGE ein paar Fortschritte vorweisen. Der Betreiber will den tiefen Untergrund der Asse erkunden. Hotopp sagt dazu: „Zur Vorbereitung der Rückholung wurden als Fremdleistung kostenintensive Erkundungsmaßnahmen mit Bohrungen von unter und über Tage durchgeführt. Ab Herbst 2019 wird mit der dreidimensionalen seismischen Erkundung des tiefen Untergrundes eine weitere sehr sichtbare Erkundungsmaßnahme umgesetzt. Die dabei gewonnenen Daten über den strukturellen Aufbau des tiefen Untergrundes sind eine der Grundlagen für die Sicherheitsanalysen des Rückholprozesses.“ Auf fast 40 Quadratkilometern wird die BGE mehrere Tausend kleinerer Sprengungen veranlassen. Diese lösen Mini-Erdbeben aus – der Boden schwingt und gibt so Rückschlüsse auf den Untergrund.

Ein weiteres zentrales Element soll in diesem Jahr die Konzeptplanung sein. Diese beinhaltet den groben Zeitplan der Rückholung. So etwas liegt bisher noch gar nicht vor. Zu unwägbar ist bisher die Rückholung. Die BGE will den Gesamtplan im dritten Quartal vorlegen. Ein paar Monate schneller als angekündigt. Bisher sollte dieser Ende 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Es wird abzuwarten sein, wie konkret dieser Plan ausfällt.

Erst dann ist die BGE in der Lage, die Kosten abzuschätzen. Das gilt für die Stabilisierung des Bergwerks bis zur Rückholung, für die Bergung der Fässer, die Zwischenlagerung und Aufbereitung und schließlich der Endlagerung des Atommülls.

BGE-Geschäftsführer Lautsch entwirft in seinem Blog zwei Szenarien zur Asse in zehn Jahren. Er beginnt ausgerechnet mit dem Szenario, das keiner will: Die Asse säuft ab. Die Bergung des Mülls wird somit unmöglich. Lautsch: „Das Bergwerk wird soweit möglich gegengeflutet, um die radiologischen Gefahren so weit wie möglich von der Umwelt fernzuhalten.“ Die gesetzlichen Schutzziele könnten so nicht sicher eingehalten werden.

Ziel sei, einen möglichen Schaden möglichst gering zu halten. „Evakuierungen und Umsiedlungen im Landkreis Wolfenbüttel sind aber – entgegen Befürchtungen in der Bevölkerung – nicht erforderlich“, so Lautsch bei seinem Blick in die mögliche Zukunft. Das klingt alles nicht gut. Lautsch beendet diese Version seines Szenarios so: „Es ist möglich, dass radioaktive Stoffe an die Oberfläche kommen – irgendwann.“

Das zweite, weit bessere Szenario zur Situation der Asse im Jahr 2029, beschreibt Lautsch folgendermaßen: „Die Rückholung gelingt. Das Projekt, das viele für unmöglich hielten, wird ein Erfolg. Noch ist es nicht soweit, doch die Rückholung startet in einem absehbaren Zeitraum. Die Abfälle werden durch einen neuen Schacht an die Tagesoberfläche gebracht, konditioniert, zwischengelagert und anschließend in einem neuen Endlager gelagert.“ Die Rückholung werde mit einer Strahlenbelastung für die Beschäftigten und die Bevölkerung in der Umgebung der Asse verbunden sein. Diese werde allerdings in Kauf genommen, um die Langzeitsicherheit der Abfälle dauerhaft sicherstellen zu können. Lautsch: „Irgendwann ist die Schachtanlage Asse Geschichte. Die radioaktiven Abfälle lagern an einem anderen, besseren Ort.“ Ende gut, alles gut. So möge es kommen. Bis dahin steht der BGE noch viel Arbeit bevor.