Braunschweig. Eine Studie zeigt: Bei laufenden Verträgen steigen die Preise aber schneller. Braunschweig und Wolfsburg ragen heraus.

Bin gespannt, wann das System kollabiert.

Das bemerkt ein Leser, der sich Rober To nennt, auf unseren Facebookseiten zu den Mieten.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle.

Noch immer ist Wohnen in München und Stuttgart so teuer wie sonst kaum irgendwo in Deutschland. Doch laut einer neuen Mietspiegel-Auswertung für 351 Städte ziehen aktuell insbesondere im Norden und im Osten die Mieten stark an. Die immer höheren Neuvermietungs-Preise schlagen auch auf schon bestehende Mietverträge durch.

Das zeigt eine Studie der Marktforschungsgesellschaft F+B. Die Hamburger erstellen regelmäßig Mietspiegel für deutsche Städte und Gemeinden. Für den jetzt veröffentlichten Mietpreisindex analysierte die Gesellschaft die Mietspiegel aus Städten und Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern. Auffällig dabei: Unter den teuersten zehn Städten sind München und Stuttgart sowie umliegende Gemeinden. Erst auf den Plätzen 12 und 13 folgen Köln und Hamburg mit einem Indexwert von 125. Dort liegen die Mieten also 25 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt.

Freuen können sich hingegen Mieter in Berlin, die noch mit einem „alten“ Mietvertrag leben. In den westlichen Stadtteilen der Hauptstadt kosten Bestandswohnungen laut F+B im Schnitt 7,08 Euro, in den östlichen 6,40 Euro pro Quadratmeter.

Auf diesem etwas erhöhten Niveau bewegen sich auch Braunschweig und Wolfsburg (siehe Grafik) sowie der Landkreis Göttingen mit der gleichnamigen Universitäts-Stadt. In sämtlichen Landkreisen in unserer Region und auch in der Stadt Salzgitter bewegen sich die Preise bei Bestandsmieten zwischen fünf und sechs Euro. Alles gut soweit. Das sagt auch F+B-Experte Manfred Neuhöfer: „Im Deutschlandvergleich ist das Mietniveau in der Region moderat. Ausnahmen nach oben sind Braunschweig und Wolfsburg – also die wirtschaftsstärksten Standorte.“

Wenn nur nicht das Preisniveau bei den alten Mietverträgen spürbar anziehen würde. Das System kollabiert zwar noch nicht, wie unser Leser bemerkt. Die Preise legten aber laut F+B im vergangenen Jahr bundesweit um 2,2 Prozent auf nunmehr 6,92 Euro im Schnitt bei den untersuchten Städten mit Mietspiegel zu.

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Einen solchen Wert nur für unsere Region kann die Gesellschaft nicht liefern. Das liegt daran, dass es in unserer Region neben Braunschweig nur noch im Landkreis Peine einen Mietspiegel gibt. Die Werte in der Grafik hat F+B aufgrund von Erfahrungswerten extra hochgerechnet. Sie halten keinem offiziellen Mietspiegel stand, geben aber Aufschluss über das Mietniveau.

Neuhöfer hat ein gewisses Verständnis für die Kommunen in unserer Region. Denn Mietspiegel verursachen Kosten und müssen aktualisiert werden. „Trotzdem ist ein gut gemachter qualitativer Mietspiegel ein mietfriedenstiftendes und bewährtes Instrument, wenn es um Mieterhöhungen in bestehenden Mietverträgen geht“, so Neuhöfer.

Wo kein Mietspiegel existiere, bleibe als Begründungsinstrument nur das Sachverständigengutachten oder die drei Vergleichswohnungen. Neuhöfer: „Das ist erfahrungsgemäß aus Sicht des Vermieters entweder teurer oder für beide durchaus streitanfälliger.“

So sieht es auch Timo Sass, Geschäftsführer des Mietervereins Braunschweig und Umgebung. Bei einer Mietpreiserhöhung müsse der Vermieter ohne Mietspiegel nur die drei Vergleichsmieten nennen. Sass: „Die findet er schnell.“

Mit Blick auf den aktuellen Mietspiegelindex macht Bernd Leutner, Geschäftsführer von F+B, auch vergleichsweise deutlich auf die durch Migration gestiegene Nachfrage im Wohnungsbestand aufmerksam: „Ein attraktives Arbeitsplatzangebot und die hohen Fernwanderungsgewinne durch Flüchtlinge und Migranten verschärfen die Wohnungsnachfrage, der Wohnungsmarkt wird enger, und das insgesamt steigende Mietniveau wirkt sich sukzessive auch im Bestand aufgrund von Mieterhöhungen im Rahmen bestehender Verträge und durch höhere Neuvermietungsmieten aus“, so Leutner.

Gerade jene Wohnungen, die an Flüchtlinge vermietet werden, tauchen in den einschlägigen Online-Immobilienportalen nur selten auf, da die Gemeinden diese oft direkt anmieten. In den Statistiken für Neuvertragsmieten spielen diese Unterkünfte deshalb kaum eine große Rolle. In den Mietspiegeln allerdings machen sich die neuen Miethöhen früher oder später bemerkbar.

Auffällig ist fast im gesamten Bundesgebiet die enorme Preislücke zwischen Mieten im Bestand und Neuvertragsmieten. Das gilt etwas abgeschwächt auch für unsere Region. Den nun von F+B ermittelten 6,92 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter stehen 10,04 Euro gegenüber, die Vermieter laut Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft im Herbst 2018 von neuen Mietern verlangten.

Sass vom Mieterverein Braunschweig und Umgebung sieht diese Entwicklung mit Sorge – gerade weil immer mehr Investoren den Mietmarkt aufgrund hoher Renditen entdecken würden. Sass sagt: „Die heutige Neuvermietung ist die Mietspiegel-Miete von morgen.“