Braunschweig. Wo sich die Wölfe in Niedersachsen aufhalten, ist wenig bekannt. Doch das wollen Forscher der Tierärztlichen Hochschule ändern.

Ist den Leuten bewusst, dass Wildschwein-Begegnungen in der Regel gefährlicher sind, weil sie wahrscheinlicher als die Begegnung mit einem Wolf sind?

Dies fragt unser Leser
Norbert Troske aus Peine.

Die Antwort recherchierte
Stefan Simon

Wer sich im Bekanntenkreis umhört und fragt, was wir eigentlich über den Wolf wissen, wird wahrscheinlich keine einhellige Antwort erhalten. Wir kennen den Wolf aus dem Märchen, der gerne Rotkäppchen fressen will oder die Redewendung aus der Bibel, ein Wolf im Schafspelz, die für einen selbstsüchtigen und machtgierigen Menschen steht.

Der Wolf das böse Tier? Die Wahrscheinlichkeit von einem Wolf angegriffen zu werden, sei sehr gering, sagt Kurt Kotrschal, Wolfsexperte der Universität Wien im Interview mit dem Wissenschaftsmagazin „Spektrum“. Wildschweine hingegen stellten eine größere Gefahr dar. In den Vororten von Berlin hätten Wildschweine bereits Menschen verletzt.

Die Deutschen jedenfalls freuen sich, dass der Wolf wieder Teil der Natur ist, zumindest 79 Prozent, wie eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Forsa von April letzten Jahres ergeben hat. Wölfe gehören genauso wie Füchse, Rehe oder Biber in unsere Landschaft.

Ob das Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) so ähnlich sieht? Seine Reaktion nach der Wolfs-Attacke im Landkreis Rotenburg, die sich später als Angriff eines Hundes herausstellte, war jedenfalls eindeutig. Er kündigte direkt an, das dort beheimatete Wolfsrudel intensiv beobachten zu lassen. Die beiden Elterntiere als auch ihre sieben Jungen sollten mit Sendern versehen werden. Das Vorhaben stellte sich jedoch als große Herausforderung heraus, denn kein Tier lief in die aufgestellte Kastenfalle. Das soll sich nun mit der Schlingen-Falle ändern. Experten der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) wollen auf diese Weise die cleveren Raubtiere fangen, besendern, um sie anschließend besser orten zu können. Das Forschungsprojekt wird vom Umweltministerium mit 53.000 Euro unterstützt.

Wie die Schlinge funktionieren soll, erklärt Ursula Siebert, Leiterin des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der TiHo: „Die Schlinge wird auf dem Boden ausgelegt und mit Laub bedeckt. Tappt ein Wolf in die Falle, zieht sich die Schlinge um sein Vorderbein und das Tier bleibt hängen“, sagt Siebert. Gefährlich werde es für den Wolf nicht, denn die Schlinge sei aus einem dicken Stoff, welches für die Haut von Wölfen ungefährlich sei. Das Tier soll dann rasch aus der Schlinge befreit, betäubt und mit einem Peilsender versehen werden.

Tage und Nächte wollen die Forscher in unmittelbarer Nähe verbringen. Welche Standorte dafür in Frage kommen, ist noch nicht bekannt. „Wir haben eine Fanggenehmigung für ganz Niedersachsen. Wir müssen aber erstmal schauen, wo sich viele Wölfe aufhalten“, so Siebert.

Die Experten benötigen zunächst einen Überblick über die Bewegung eines Wolfs, bevor er gefangen und mit einem Peilsender ausgestattet werden kann. Helfen soll das Wolfs-Monitoring durch Sichtungen oder Foto-Fallen. Die Forscher erhoffen sich durch den Fang von bestimmten Wölfen, zusätzliche Informationen über das Verhalten der Tiere zu sammeln. Wie weit läuft der Wolf in einer Nacht? Welche Kreise zieht er? Wann ruht er? Läuft er weite Strecken, die über sein Wanderverhalten hinausgehen?

„Wir stellen uns diese Fragen, weil wir bei den Wölfen in Niedersachsen ein besonderes Verhalten wahrnehmen. Nach unseren Erkenntnissen unterscheidet sich dieser Wolf von seinen Verwandten aus Nationalparks oder aus Sibirien“, sagt Siebert. Philip Foth, Pressesprecher vom Naturschutzbund Nabu, hält die Schlingenfalle für eine gute Methode. „So lange sie normgerecht angefertigt und das Tier unmittelbar nach dem Fang befreit wird, finden wir das in Ordnung“, sagt Foth. Allerdings ist der Naturschützer skeptisch, ob die Forscher mit der Schlingenfalle auch Erfolg haben würden, denn es sei schwierig, einen bestimmten Wolf aus einem Rudel zu fangen. „Ich schätze die Wahrscheinlichkeit nicht besonders hoch ein“, sagt er.

Es wird wohl noch mehrere Monate dauern bis die Forscher von der TiHo erste Ergebnisse haben werden. Es handele sich um ein mehrjähriges Projekt, denn Wölfe zu fangen sei schwer und oft würden externe Einflüsse die Arbeit behindern, sagt Siebert. „Wir hatten im Emsland Wölfe beobachtet und waren schon recht weit gekommen. Dann gab es den Moorbrand und die Wölfe sind abgehauen“, sagt sie.

Es soll aber nicht nur das Verhalten der Wolfe erforscht werden. Die Expertin möchte auch, dass sich das Bild des „bösen Wolfes“ ändere. Menschen sollten mehr Erkenntnisse über das Tier bekommen. Denn das Wissen über den Wolf sei sehr gering, so Siebert.