Braunschweig. . Am Oberverwaltungsgericht Lüneburg wird am Donnerstag entschieden, ob Schimpanse Robby nach Jahrzehnten den Circus Belly verlassen muss.

Unser Leser Franz Albert aus Halchter fragt:

Tierschutzgesetz hin, Tierrechtsorganisation Peta her. Wäre es nicht angebracht, Robby selbst entscheiden zu lassen, wo er leben will? Er wird es wohl am besten wissen!

Die Antwort recherchierte
Dirk Breyvogel

Wenn am Donnerstag im Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg erneut darüber entschieden wird, was ein affengerechtes Leben ist, wird der Protagonist nicht zugegen sein. Der Schimpanse Robby wird dann dort sein, wo er sich nach Überzeugung seines Besitzers, Zoodirektor Klaus Köhler, immer wohlfühlte, wo es ihm in den letzten Jahren an nichts fehlte: in einem Käfig im Circus Belly.

Und auch wenn es womöglich im Sinne unseres Lesers wäre – eine Aussage vor Gericht plant das OVG nicht. Die Entscheidung, wo Robby zukünftig leben wird, wird gefällt, ohne dass Robby darauf Einfluss nehmen kann.

Der Fall Robby erhitzt seit 2015 verstärkt die Gemüter von Tierschützern und beschäftigt Gerichte und Behörden. Der Landkreis Celle, seit 2007 die zuständige Genehmigungsbehörde, hatte auf Grundlage der Expertise der renommierten Zoologin, Psychologin und Verhaltensforscherin Signe Preuschoff, angeordnet, Robby in einer spezialisierten Haltungseinrichtung für Menschenaffen unterzubringen. Der Landkreis hatte in den Jahren zuvor eine seit dem Jahr 1990 bestehende bundesweite Leitlinie, die die Haltung von Menschenaffen in Zirkussen untersagt, per Ausnahmegenehmigung ausgehebelt. Gegen die nun vollzogene Kehrtwende des Kreises hatte Zoodirektor Köhler geklagt – und in erster Instanz verloren. Nun wird vor dem OVG der Fall erneut verhandelt.

Der letzte Menschenaffe, der in Deutschland noch in einem Zirkus lebt, ist laut Zoodirektor Köhler 1975 als Vierjähriger in die Familie gekommen und saß bis zum Alter von etwa 20 Jahren mit den eigenen Kindern am Küchentisch. Er habe sechs Kinder, Robby sei sein siebtes, sagt Köhler, wann immer er auf sein Verhältnis zum Affen angesprochen wird. Er will nicht, dass Robby in die niederländische Auffangstation AAP eingewiesen wird. Im Zweifel will er alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen. „Ich werde notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, sollten die Richter mir Robby wegnehmen“, sagt er unserer Zeitung. Dem OVG lägen fünf unabhängige Gutachten vor, die alle seine Auffassung bestätigen würden, erklärt Köhler.

Der Zoodirektor hält, ebenso wie die Bremer Tierärztin Alexandra Dörnath, die Auffangstation für gänzlich ungeeignet. Köhler spricht von einer „Nervenheilanstalt für geistig kaputte Tiere“. Dörnath in dem Fall einer Verlegung von einem „Todesurteil“ für den Affen. Robby sei unumkehrbar auf den Menschen fehlgeprägt. Er zeige aber keine Verhaltensstörung und leide auch nicht, hatte die Veterinärin, die ihre Doktorarbeit über die Ruhigstellung von Gorillas in Zoos schrieb, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Dörnath hat demzufolge Robby 75 Tage lang an verschiedenen Orten beobachtet. Die Sachverständigen, auf deren Gutachten das erste Verwaltungsgerichtsurteil fuße, seien keine Menschenaffenexperten, ist Tierärztin Dörnath überzeugt. Auch sie will am Donnerstag im Gericht sein. Auch der Direktor des Osnabrücker Zoos, Michael Böer, hatte schon vor Jahren gewarnt, Robby mit anderen Schimpansen zusammenzubringen. Schon seit 2015 tritt der Schimpanse, nach Anordnung des Landkreises Celle, nicht mehr in den Zirkusshows auf, sondern lebt nurmehr hinter den Kulissen.

Doch dies ist kein Grund, den Fall ruhen zu lassen. So sieht das zumindest die Tierrechtsorganisation Peta. Sie informiert die Öffentlichkeit über das Schicksal von Robby seit 2011. Damals startete sie medienwirksam die Kampagne „Rettet Robby“. Sie stellt durch ihren Juristen Edmund Haferbeck klar, dass sie den Prozess lediglich begleite und keine Prozesspartei sei. Für Peta und die Tierrechtsorganisation „Vier Pfoten“ muss das OVG das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg bestätigen, denn Robby führe ein „trostloses Leben“. Damit widersprechen beide Organisationen fundamental den Ansichten der Bremer Tierärztin Dörnath.

Die Tierrechtler von Peta legen auf ihrer Homepage nach. „Auch wenn der Zirkus angibt, Robby würde zur Familie gehören, so stellt sich das aus Robbys Sicht anders dar: Er hatte keine Wahl und musste sich mit den Menschen arrangieren. Kein wohlwollender Mensch würde ein Familienmitglied in so einem qualvollen Verschlag gefangen halten, wie es bei Circus Belly der Fall ist“, heißt es dort.

Der Landkreis Celle, dem in diesem Verfahren die Rolle des Beklagten zukommt, stützt seine Auffassung auf das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten und das Urteil des vom Gericht hinzugezogenen Sachverständigen Pierre Grothmann. „Dass die Haltungsbedingungen des Schimpansen nicht artgerecht waren, war dabei von Anfang an klar und wird auch von den Tierärzten, die sich für einen Verbleib des Tieres im Zirkus einsetzen, nicht bestritten. Der Landkreis hat, nachdem er sich um Optimierung der Haltungsbedingungen im reisenden Zirkusbetrieb bemüht hat, sich deshalb 2011 an eine externe Sachverständige gewandt, um nicht nur die räumlichen Haltungsbedingungen sondern vor allem das Verhalten des seit Jahren einzeln und ohne Artgenossen gehaltenen Menschenaffen überprüfen und bewerten zu lassen“, erklärt Landkreis-Sprecher Tore Harmening unserer Zeitung. So sei Robby zwar „unstreitig in guter körperlicher Verfassung“, dennoch sei auch der Sachverständige zu dem Schluss gekommen, dass eine Resozialisierung des Schimpansen in einer speziellen Tierhaltungseinrichtung trotz des langjährigen Aufenthalts im Zirkus und trotz des fortgeschrittenen Alters gelingen könne.

Zoodirektor Klaus Köhler, dessen Familie schon ewig mit Tieren umherzieht, ist sicher, dass es am Donnerstag einen kurzen Prozess geben wird. Für 10 Uhr ist die Verhandlung anberaumt. Schon mittags könnte laut Köhler das Urteil gesprochen sein. Er werde dennoch nochmal aussagen, sollte das nötig sein. Es gebe aber nichts zu revidieren. „Ob Recht gesprochen wird oder ob man sich im Recht fühlt, sind oft zwei paar Schuhe“, sagt der 70-Jährige.

Die Frage, die sich für Außenstehende mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung und die teilweisen persönlichen Diffamierungen der beteiligten Parteien womöglich stellt, ist eine andere: Geht es hier um einen Zirkusaffen – oder ist das alles ein großer Affenzirkus?

Die Lebenserwartung eines Schimpansen in Gefangenschaft liegt bei 50 Jahren. Robby ist nach Zirkusangaben 47. Und auch wenn die vor Gericht eingereichten Gutachten einander widersprechen, sie beanspruchen allesamt, dass Wohl des Tieres als höchste Priorität im Blick zu haben. Auffangstation oder Zirkus? Wo Robby seinen Lebensabend verleben darf, darüber haben jetzt die Richter zu urteilen.