Braunschweig. Raketenstart in Kourou: „BepiColombo“ ist auf dem Weg zum Merkur. Beteiligt an der Mission sind Forscher der TU Braunschweig.

Der kleine Landeroboter Mascot hat auf dem Asteroiden Ryugu kaum sein kurzes Leben ausgehaucht (wir berichteten), da richten die Physiker der TU Braunschweig ihren Blick schon auf einen anderen Teil unseres Sonnensystems – ins Zentrum. Oder besser: in die Nähe des Zentrums, nämlich auf den Planeten Merkur, der in einer ganz engen Bahn um die Sonne kreist.

Denn dorthin ist die dreiteilige Raumsonde „BepiColombo“ heute um 3.45 Uhr (MESZ) vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana gestartet. Um 4.21 Uhr bestätigte ein Signal dann, dass sich die Raumsonde von der Rakete gelöst hat. Die Sonde, die zwei Satelliten trägt, soll ihr Ziel in sieben Jahren erreichen und unter anderem die Oberfläche und das Magnetfeld des sonnennächsten Planeten erkunden.

„Ich bin erleichtert“, sagte der Direktor der Europäischen Weltraumorganisation Esa, Johann-Dietrich Wörner, in Kourou, unmittelbar nach dem Start. „Wenn man ehrlich ist, haben wir jetzt erst einen ganz kleinen Schritt geschafft. Es ist die erste Stunde von sieben Jahren.“

Mitte Dezember wird die Spannung erneut steigen. Dann kommen erstmals die Ionen-Triebwerke der Sonde zum Einsatz. Sollten sie nicht funktionieren, könnte die Mission scheitern. Nach Esa-Berechnungen erreicht die 6,40 Meter hohe und 4,1 Tonnen schwere Raumsonde mit ihren beiden Satelliten den Merkur im Dezember 2025.

Wieder einmal haben Braunschweiger Forscher zu der Weltraummission beigetragen. Diesmal ist der Beitrag aber besonders groß. Denn das Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik der TU Braunschweig (Igep) ist nicht erneut beteiligt, die Magnetometer des Igep sind bei „BepiColombo“ sogar eines der Hauptinstrumente. Professor Karl-Heinz Glaßmeier ist somit einer der Projektleiter der Mission. Im April 2019 will der Physiker diese Aufgabe an Dr. Daniel Heyner vom Igep übergeben, so dass auch zur Weihnachtszeit 2025, wenn die Sonde den Merkur erreicht und Glaßmeier längst im Ruhestand ist, ein Braunschweiger federführend an der Mission beteiligt sein dürfte.

Darüber hinaus wurde am TU-Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze die Prozessoreinheit entwickelt und gebaut, die die Sensoren eines Ionenspektrometers an Bord einer der Sonden steuert und deren Daten verarbeitet. Zusammen mit anderen Instrumenten soll es die Plasmapartikel des Sonnenwindes und ihre Interaktion mit dem Magnetfeld des Merkur untersuchen.

Ebenfalls beteiligt an der Konstruktion der Raumfahrzeuge war das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig. Um die Sonde vor den extremen Temperaturen, die von Minus 173 Grad Celsius während des Flugs bis zu 430 Grad Celsius in Sonnennähe reichen, zu schützen, ist sie mit Kühllamellen aus Titan verkleidet, die mit Silber beschichtet wurden. Forscher des IST haben dafür ein Verfahren entwickelt, bei dem im Vakuum mittels Plasma eine hauchdünne Kupfer-Schicht auf die Lamellen aufgetragen wird. Auf diesen verkupferten Titan-Elementen lässt sich Silber anschließend relativ einfach elektrochemisch abscheiden. „Durch die Kombination von Plasmatechnik und Galvanik konnte der Gesamtprozess erheblich vereinfacht werden“, so der IST-Projektleiter Ralf Wittorf und sein Kollege Torsten Hochsattel in einer Pressemitteilung.

Vorausgesetzt, die so geschützte Sonde übersteht den Flug zum Merkur, werden Braunschweiger Forscher für zwei bis drei Jahre das Magnetfeld des Planeten und sein Zusammenspiel mit den Partikeln des Sonnenwindes messen. Der ist wegen der Nähe zur Sonne besonders stark, erklärt Dr. Heyner. „Wir wollen den Entstehungsprozess des Magnetfeldes rekonstruieren. Gibt es einen Dynamoprozess wie im Inneren der Erde?“, will der Physiker herausfinden. Das gängige Modell zum Erdmagnetfeld geht davon aus, dass Konvektionsströme aus elektrisch leitfähigem flüssigen Material im äußeren Erdkern das Magnetfeld erzeugen. „Wäre es beim Merkur genauso, müsste dessen Magnetfeld aber 100 Mal stärker sein, als es ist“, gibt Professor Glaßmeier zu bedenken.

Es gibt für die Forscher also eine Menge zu lernen – zum Beispiel über die innere Struktur des Planeten. „Man geht davon aus, dass der Merkur über einen sehr großen Eisenkern von rund 2000 Kilometern Radius und nur einer dünnen Kruste von 400 Kilometern verfügt“, sagt Glaßmeier. Die Messungen könnten Rückschlüsse auf der Grund für diese ungewöhnliche Zusammensetzung geben. Womöglich sei ein Teil der Kruste abgeplatzt. „Bisher kann über die Details der Planetenentstehung nur spekuliert werden. Jede Messung hilft, Hypothesen auszuschließen“, so Heyner.

Eine dieser Hypothesen hat der Physiker selbst entwickelt. Heyners sogenannter Feedback-Dynamo erklärt das, was bisher über das Magnetfeld des Merkur bekannt ist. Die Messungen in sieben Jahren könnten das Modell bekräftigen oder widerlegen.

Doch das Erkenntnisinteresse der Wissenschaftler ist nicht auf den kleinen Planeten nahe der Sonne beschränkt. „Wir wollen immer auch etwas über die Erde erfahren“, sagt Heyner und fügt hinzu: „Wenn wir das Magnetfeld des Merkur nicht erklären können, haben wir auch den Geodynamo der Erde nicht verstanden.“