Braunschweig. Die Kommunen fürchten einen Flickenteppich in Niedersachsen. Die Umwelthilfe kündigt an: Wir ziehen die Diesel-Verfahren in den Städten durch.

Jetzt steht mit dem Diesel-Beschluss unsere Gesundheit auf dem Spiel. Da bleibt nur das Resümee: Der Mehrheit der Abgeordneten ist offenbar unsere Gesundheit nichts wert.


Das bemerkt unser Leser Horst Gasse aus Braunschweig.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle.

Nach dem Urteil zu Diesel-Fahrverboten in Berlin werden niedersächsische Kommunen unruhig. Der Städtetag in Niedersachsen fordert von der Bundesregierung mehr Druck auf die Autobauer. „Die Konzerne müssen stärker in die Pflicht genommen werden“, sagte Fabio Ruske, Referatsleiter Umwelt beim Städtetag, auf Anfrage.

Die SPD brachte Bußgelder gegen die Auto-Branche ins Spiel. Das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium hat das am Mittwoch gleich abgelehnt.

Der beim Diesel-Gipfel erzielte Kompromiss, der Umtauschprämien beim Kauf von Neuwagen vorsieht, reiche „bei weitem nicht aus“, sagte hingegen Ruske vom Städtetag im Sinne unseres Lesers. Die Hersteller müssten Nachrüstungen vorantreiben, diese auch finanzieren. Andernfalls drohe ein Flickenteppich in Niedersachsen.

Außer in Hannover wurden auch in Oldenburg, Osnabrück und Hildesheim zu hohe Stickoxid-Werte gemessen. Zwischen Harz und Heide hat keine Stadt den Stickstoffdioxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter gerissen. Der Druck auf die Industrie dürfe aber nicht nachlassen, sagte Ruske.

Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok hat ebenfalls Unterstützung von den Autoherstellern angemahnt – und vom Bund. Allein werde die Stadt es nicht schaffen, die gesundheitsgefährdenden Stickoxid-Werte ausreichend zu senken, sagte er zu NDR 1 Niedersachsen.

Die Deutsche Umwelthilfe klagt in Hannover, Oldenburg soll noch im Oktober folgen. In Osnabrück und Hildesheim laufen formale Rechtsverfahren, eine Art Klage-Vorstufe. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sagte unserer Zeitung unmissverständlich: „Wir ziehen die Verfahren in Niedersachsen durch, wenn die Städte nicht alles tun, um Fahrverbote zu vermeiden.“

Die Kommunen fordern vom Land Niedersachsen und vom Bund mehr finanzielle Mittel, um die Stickstoffdioxid-Grenzwerte zu senken. Das Geld wollen sie verwenden, um das Radwegenetz auszubauen, mehr Ladesäulen für E-Autos aufzustellen und den öffentliche Nahverkehr mit E- und Hybridbussen auszustatten.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) geht davon aus, dass es in Niedersachsen aufgrund der genannten Vorhaben nicht zu Fahrverboten komme. Er kündigte an, sich für die Diesel-Fahrer einsetzen zu wollen. „Wichtig bleibt dabei nach wie vor, dass die Diesel-Fahrer nicht die Leidtragenden sind und über Gebühr belastet werden“, sagte er unserer Zeitung. Althusmann, der bei VW im Aufsichtsrat sitzt, sagte: „Dies können wir nur erreichen, indem auch die Hersteller in angemessener Weise beteiligt werden.“

Resch von der Umwelthilfe übte massive Kritik an VW und anderen Konzernen. „Die Branche gibt 1,5 Milliarden Euro für Rechtsanwälte aus, um Ansprüche von Diesel-Fahrern abzuwenden. Ansonsten machen sich die Hersteller einen schlanken Fuß.“ Zu VW sagte er nach dem Abgas-Skandal: „Ich traue dem Konzern für keine fünf Cent mehr über den Weg.“

Er habe seine Informanten, sagte Resch. „Die Abgasreinigungs-Ingenieure leiden wie die Hunde.“ Diese könnten sehr viel saubere Diesel-Motoren herstellen – wenn sie nur dürften. „Für jeden Cent, den die Konzern-Chefs einsparen können, würden sie ihre Schwiegermütter verkaufen.“ Resch kündigte weitere Klagen gegen Städte in Deutschland an, in denen der Stickstoffdioxid-Grenzwert gerissen werde. Das würde auch die Konzerne weiter unter Druck setzen.